Glow. Roman by Ned Beauman

Glow. Roman by Ned Beauman

Autor:Ned Beauman
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783455812695
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2014-06-09T22:00:00+00:00


16:15 Uhr

Es geht um Glow. Es muss um Glow gehen. Das sagt sich Raf, als er Rose die Leine abnimmt. Sie waren im iranischen Eckladen, wo er Alkohol und Hundefutter besorgt hat. Vorhin, in Lacebarks Puppenhaus, als Belasco ihm das falsche Labor zeigte, hat er nach Bomben gefragt, weil ihm die Fernsehbilder aus dem Krieg gegen den Terror im Kopf herumgingen, Satellitenkarten voller »black sites« wie Tumore auf einem CT-Scan. Aber Belasco hat das nicht bestätigt, und er hätte keine voreiligen Schlüsse ziehen sollen. Stattdessen muss er an den Computer und ein paar Sachen in Erfahrung bringen, um seinen neuen Verdacht zu erhärten. Er möchte lieber nicht so genau über das Risiko nachdenken, das er heute eingegangen ist, denn jetzt, wo das Adrenalin zu Essig geworden und er in die Sicherheit seiner Wohnung zurückgekehrt ist, wird er darüber womöglich in leises Wimmern ausbrechen. Komisch, dass er sich zur Beruhigung instinktiv mit einer Flasche Whisky und einem treuen Hund ausgestattet hat, weil er sich damit wie so eine Art rotgesichtiger Landjunker fühlt. Aber es ist noch keine Pille erfunden, die dasselbe kann.

Ein Labor ist wie ein Radiosender: Wenn man so was in der eigenen Wohnung hat, ist man vielleicht nur ein Hobbybastler, wahrscheinlich aber ein Verbrecher. In den meisten Gesetzen, die man mit einer Glaspipette brechen kann, geht es entweder um Drogen oder um Waffen. Auch um beides zusammen. Es gibt ein synthetisches Opioid namens 3-Methylfentanyl, etwa sechsmal stärker als Morphin, das seine eigene kleine Gemeinde von Süchtigen hat, verstreut über die baltischen Staaten wie eine obskure und auf den Hund gekommene religiöse Sekte. 3-Methylfentanyl war aber auch der Grundbestandteil des Aerosols, an dem mehr als einhundert Geiseln starben, als die SpezNas es 2002 in das Klimaanlagensystem eines Moskauer Theaters pumpte. Ein geschäftstüchtiger Terrorist, der einen Anschlag auf die Londoner U-Bahn plant, könnte im Prinzip die Hälfte seines 3-Methylfentanyl en gros an Drogendealer verkaufen und damit die Herstellung der anderen Hälfte subventionieren. 3-Methylfentanyl scheidet hier aber aus, ebenso wie Sarin und Acetonperoxid und alle anderen Sprengstoffe oder Nervenkampfstoffe, die Raf im Netz finden kann, weil sie alle nicht auf organische Ausgangsstoffe zurückgehen. Wenn Lacebark Herbizide gegen etwas einsetzt, das vor Wohnblocks wächst, dann aus dem gleichen Grund, aus dem thailändische Zollbeamte Sassafrasöl beschlagnahmen: Es geht darum, einen der Bestandteile einer Drogenrezeptur zu eliminieren. Und in diesem Fall handelt es sich wohl kaum um Kokasträucher oder Mohnpflanzen oder Sassafrasbäume. Aber um was dann?

Zuerst folgt Raf in Gedanken dem Weg vom Ausgangsstoff zur Droge. Er denkt an die anonyme E-Mail und fragt sich, ob der Ausgangsstoff vielleicht eine der dreiundvierzig Pflanzen aus Linnés Blumenuhr sein könnte. Aber keine davon ist für ihre narkotisierenden Derivate bekannt. Am nächsten kommt dem noch der Islandmohn (neunzehn Uhr), der ein paar Alkaloide mit dem Schlafmohn gemeinsam hat, und der Löwenzahn (fünf Uhr), der sich zu Löwenzahnwein verarbeiten lässt. Raf ist sich ziemlich sicher, dass Lacebark nicht wegen Löwenzahnwein nach London gekommen ist. Seine Theorie steht auf tönernen Füßen. Vielleicht ist der Ausgangsstoff einfach eine andere Pflanze, die sich für das Horologium Florae eignet, Linné aber unbekannt war.



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