Geschichten von der Bibel by Michael Köhlmeier

Geschichten von der Bibel by Michael Köhlmeier

Autor:Michael Köhlmeier
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2013-02-26T23:00:00+00:00


»Ich habe ein neues Bild von der Welt gewonnen«, sagte er, als er angekommen war und bei seinen Brüdern saß, »vor allem ein neues Bild vom Volk Israel.«

»Was soll das heißen?« fragten die Edomiter. »Sind sie noch schlimmer, als wir denken?«

»Nein«, sagte Zephu, »sie sind besser.«

Da lachten die einen, die anderen ballten die Fäuste und stießen sie gegen Zephus Schulter.

»Kommt alle her!« riefen sie. »Zephu ist wieder da! Die Wüste hat ihm das Hirn verbrannt. Er behauptet, dem Jakob seine Leute seien ihm lieb geworden!«

»Ich war in Ägypten«, sagte Zephu, »ich habe mit den Männern und Frauen Israels gesprochen. Sie leben in Wehmut und Trauer. Und sie kennen keine größere Sehnsucht, als sich mit uns zu versöhnen.« Und mit der sanften Stimme des Wolfes fuhr er fort: »Was gewesen ist, ist gewesen. War ich nicht der erste, wenn es darum ging, Israel zu hassen? Aber nun sage ich euch: Sie sind unsere Brüder. Sie sehnen sich danach, daß wir nach Ägypten kommen und uns mit ihnen vereinen und mit ihnen im Wohlstand leben. Sie wollen uns teilhaben lassen an ihrem Glück. Sie wollen wiedergutmachen, was uns ihre Vorfahren angetan haben. Israel und Edom sind Söhne Isaaks, Söhne Abrahams. Und Ägypten ist das Land, in dem Milch und Honig fließen. Es ist das Land, das uns Abraham versprochen hat. Das Gott dem Abraham versprochen hat. Es ist unser Land. Das Land der Söhne Abrahams. Edom und Israel gemeinsam werden die Ägypter besiegen und aus ihrem Land treiben!«

Hat sich Zephu auf seinem langen Ritt durch die Wüste doch einen Plan zurechtgelegt? Es sieht ganz danach aus. Er will seine Brüder umgarnen, wie er immer alle Menschen umgarnt hat, von denen er sich einen Vorteil versprach. Erst lachen sie ihn aus, die Brüder, winken ab, aber dann werden sie still, lauschen seinem geölten Mundwerk, können bald die Augen nicht mehr von ihm lassen. Der eine oder andere schaut ihn bereits mit einem neuen Blick an. So kenne ich Zephu ja gar nicht, denkt sich der eine oder andere, er ist ein anderer geworden in der Fremde, und am Ende des Abends, nachdem man zwei bis drei Stunden der süßen Stimme Zephus gelauscht hat, gesteht sich der eine oder andere ein, daß man sich gründlich in Zephu getäuscht hat, als man meinte, niemals könne man mit diesem in Harmonie schwingen oder die Welt und die Menschen so sehen und deuten wie er oder über dasselbe lachen, dieselben Sorgen haben, dieselben Hoffnungen …

Auch das Böse soll planvoll vorgehen, das wünschen wir uns. Warum? Weil es dadurch berechenbar wird. Auch der Haß ist auf seine Art ein Gebäude, sagen wir uns. Soll er sich etwa nicht mit einem Haus vergleichen lassen? Und wir sagen: Wer ein Haus baut, kann nicht mit dem Giebel beginnen. Wieder suchen wir Trost in dem Gedanken, daß auch die Destruktion einen Plan benötigt. Aber zugleich wissen wir: Wer ein Haus zerstört, der braucht sich an keine Reihenfolge zu halten.

Die Edomiter glaubten ihm. Wählten ihn zu ihrem Anführer. Und hielten ihn ganz



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.