Geschichten aus dem Unteren Reich Band 1: Unheimliche Kurzgeschichten (German Edition) by Markus Krüger

Geschichten aus dem Unteren Reich Band 1: Unheimliche Kurzgeschichten (German Edition) by Markus Krüger

Autor:Markus Krüger [Krüger, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2019-10-24T00:00:00+00:00


Der böse Mann

Das Licht der Stirnlampe reichte in dieser Nacht nur wenige Meter weit, bis es vom dichten Nebel geschluckt wurde. Lukas überlegte, ob er das lästige Gerät ausschalten und abziehen sollte. Wegen der Kopfhörer hatte er schon genug Zeug am Körper, das ihn in seinen Bewegungen einschränkte. Wenigstens sind die kabellos, dachte der Mann und schaltete die Stirnlampe versuchsweise aus. Es wurde zwar sofort dunkler, aber als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, machte es kaum noch einen Unterschied. Zufrieden stopfte er die Lampe in seine weite Jackentasche.

Von dem blöden Hund fehlte aber immer noch jede Spur. Einmal mehr rief er den Namen des Cocker Spaniels, doch Jake blieb weiterhin verschwunden. Lukas verlangsamte seine Schritte und starrte in die Nacht. Der Wald war an dieser Stelle dicht: Zwischen den unzähligen Bäumen wuchs wildes Gestrüpp und machte es unmöglich, einfach so den Weg zu verlassen. Zumindest für einen Menschen. Der dreijährige Cocker fand natürlich immer irgendwo ein kleines Schlupfloch und raste manches Mal selbst die steile Böschung ohne jede Vorsicht hinunter.

»Wenn du dir wieder die Pfote vertreten hast, muss ich wirklich mit dir schimpfen!«, rief Lukas und verstand seine eigenen Worte nicht. Die Musik, die durch die Kopfhörer donnerte, war viel zu laut. Der Mann seufzte, als er sein Smartphone zückte, um die Playlist zu pausieren. Das blöde Bluetooth hat den Akku eh fast komplett aufgebraucht.

»Jake! Komm her, Junge!« Der Ruf gellte durch die stille Nacht. Lukas hielt den Atem an, doch er hörte keinen Ton. Wo könnte dieser Hund schon wieder stecken? Erst vor wenigen Tagen hatte er ein Reh aufgestöbert und war sofort auf und davon gelaufen, was dazu geführt hatte, dass sein Herrchen zu spät zur Arbeit gekommen war.

Unwillkürlich sah der Mann auf sein Handgelenk. Es war inzwischen fast 19 Uhr. Er würde mindestens noch 20 Minuten für den restlichen Heimweg benötigen. Lukas begann zu rechnen, da er später noch mit Freunden verabredet war. Sollte Jake nicht bald zurückkommen, dann könnte er wohl …

Er brachte den Gedanken nicht zu Ende. Ein lautes Jaulen zerschnitt die Nacht. Panisch sah er sich um. »Jake! Was ist los?« Der Klagelaut war inzwischen verklungen.

Stille.

Kurz darauf winselte wieder ein Hund – mein Jake, korrigierte sich Lukas in Gedanken – irgendwo in der Finsternis auf. Er starrte unschlüssig ins Dunkel. Er könnte doch nicht …

Noch einmal heulte das Tier schrill auf.

Lukas’ Hand wanderte zurück in die Jackentasche um die Stirnlampe wieder aufzusetzen. Die Apparatur tauchte die Bäume vor ihm in ein grelles Licht. Er wandte den Kopf in jene Richtung, aus der die schrecklichen Geräusche seiner Meinung nach gekommen waren. Dann setzte er bedächtig einen Fuß vor den anderen, um nicht auf dem nassen Herbstlaub auszurutschen.

Das Gelände abseits vom Weg war leicht abschüssig und vom Dauerregen der letzten Tage ganz aufgeweicht. Jeder Schritt kam Lukas wie ein kleines Wagnis vor. Er war inzwischen mit seinen 43 Jahren nicht mehr der Jüngste und hatte eine bittere Lektion gelernt: Mit zunehmendem Alter wurde jeder Sturz schmerzhafter. Entsprechend vorsichtig schlängelte sich der Mann an Bäumen vorbei, die mit ihren garstigen Ästen nach ihm schlugen.



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