Geschichte in Film und Fernsehen by Thomas Fischer & Thomas Schuhbauer

Autor:Thomas Fischer & Thomas Schuhbauer [Fischer, Thomas & Schuhbauer, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783825256616
Herausgeber: UTB
veröffentlicht: 2016-11-10T00:00:00+00:00

Geschichtsfilme als Untersuchungsgegenstand

Noch zu Beginn dieses Jahrtausends galt, dass die filmgeschichtliche Forschung zumeist nicht von Fachhistorikern, „sondern von Germanisten, Theater- und Medienwissenschaftlern geleistet“ wurde. Der Historiker Gerhard Stahr, der diesen Sachverhalt formulierte, nannte als Hauptgrund für die Film- und Kino-Abstinenz der historischen Forschung, dass die „Einordnung dieses Mediums in die historische Quellenkritik bisher nur unbefriedigend gelungen“ sei. Die Kategorisierung der Dokumentationen als ‚Traditionsquellen‘ und die der Spielfilme als ‚Überreste‘ wirke jedenfalls „unbeholfen“ (Stahr 2001, 8f.). 2003 moniert auch der Historiker Günter Riederer (2003, 20): „Es ist in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, Filmanalyse als genuines Forschungsfeld für Historikerinnen und Historiker zu etablieren“. Noch einmal zwei Jahre später stellte der Historiker Michael Wildt fest, dass unter Kollegen die Auffassung offenbar weit verbreitet sei, „mit einem Film müssten sich Historiker nicht beschäftigen, weil es sich nicht um Wissenschaft handle“, eine solche Einschätzung, so Wildt (2005, 1), verfehle aber „nicht nur die Epistemologie des Bildes, sondern verschenkt auch dessen Potenzial für eine Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert“.

Eine zukünftige ‚Audio Visual History‘ müsste sich der Untersuchung historischer Lebenswelten im Film annehmen, ihrer erzählerischen Konstruktion, Funktion und Wirkung. Quellen für audiovisuelle Lebenswelten gibt es viele. Allein die Zahl der „Wochenschauen“ zwischen 1910 und 1970 ist gewaltig, ganz zu schweigen von den vielen Kulturfilmen, Features, Essays usw., die bis in die 1960er Jahre im Kino und dann im Fernsehen dokumentarisch über ihre jeweilige Zeit erzählen. Oder auch die inzwischen zahlenmäßig nicht mehr zu überschauenden szenischen und dokumentarischen Geschichtsfilme. Aber noch werden die Quellen nur von einer sehr kleinen Zahl von Historikerinnen und Historikern genutzt. Das mag an ihrer nicht immer leichten Zugänglichkeit liegen (speziell bei den Fernseharchiven) und mit der Tradition der Geschichtswissenschaft als Textwissenschaft zusammenhängen, oder es mag mit den bereits erwähnten methodischen Defiziten zu tun haben. Dennoch scheint die Zeit für ein stärkeres Historikerengagement reif, und auch die technische anspruchsvolle Darstellung der Forschungsergebnisse dürfte im Zeitalter medialer Verfügbarkeit machbar geworden sein. 2010 hat Annerose Menninger in ihrem Buch „Historienfilme als Geschichtsvermittler“ erstmals ein ausgefeiltes und erfolgreich an zwei Kolumbus-Filmen erprobtes Analysemodell für szenische Historienfilme zur Verfügung gestellt. Menninger will mit ihrem Konzept dazu beitragen, „die Geschichtswissenschaft im transdisziplinären Medien- und Filmdiskurs konkreter und profilierter zu positionieren.“ (Menninger 2010, 14) Im Folgenden werden die wichtigsten, von Menninger entwickelten Analyseschritte und -methoden von Geschichtsfilmen genannt und durch ein paar eigene Vorschläge ergänzt (Punkt 1 bis 9 und die Zitate darin nach Menninger 2010, 34–36). Nicht alle Fragestellungen und Instrumente können dabei auf szenische und dokumentarische Geschichtsfilme gleichermaßen angewendet werden. Dies wird der Leser leicht erkennen und entsprechende Abstriche bzw. Modifikationen vornehmen.

Ein Sequenzprotokoll teilt einen Film in Handlungseinheiten, die sich durch Ortswechsel oder Wechsel der Akteure von den folgenden unterscheiden. Die Sequenzprotokolle „fixieren das flüchtige Filmerlebnis, indem sie chronologischen Aufbau, Inhalt und gedankliche Struktur der Filme nachzeichnen. Die Sequenzen sind nummeriert und werden mit Filmzeit, Handlungsorten, Personen und Geschehen“ versehen.

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