Geschichte eines Teutschen der neusten Zeit by Klinger Friedrich Maximilian

Geschichte eines Teutschen der neusten Zeit by Klinger Friedrich Maximilian

Autor:Klinger, Friedrich Maximilian
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


8.

Als nun der Kammer die Bestallung übersandt worden war und Ernst nebst dem Kammerrat Kalkheim zum erstenmal der Sitzung beiwohnen sollte, fehlte der letztere. Man schickte nach ihm. Er kam; aber anstatt Platz zu nehmen, stellte er sich vor die Versammlung und erklärte, er fühle sich noch nicht würdig, neben seinen Herren Kollegen zu sitzen.

Man las ihm seine Einsetzung vor, und er sagte:

»Ich danke dem gnädigen Fürsten; auch sehe ich, daß ich vor ihm rein bin. Aber da ich es nicht vor Ihnen und dem Publikum bin, so sähe meine Einsetzung allzu sehr wie bloße Gnade aus. Wegen meines schlechten Beispiels, wegen Eingriffs in die Kasse oder wegen unerlaubter Verwendung der Kassengelder bin ich von der Kammer meines Amtes entsetzt worden, erscheine folglich als ein Mann, dem keine Kasse mehr anvertrauet werden darf. War mein Vergehen damals gegründet, so ist es noch heute gegründet, ist es niemals gegründet gewesen, so muß die Kammer mich reinigen; und dieses kann nicht anders geschehen, als daß man mein Vergehen nochmals untersucht. Zu diesem Behufe überreiche ich dem Herrn Kammerpräsidenten meine untertänige Bitte an Se. Durchlaucht, unsern Landesfürsten.«

Der Präsident sah bald den Kammerrat, bald seinen Neffen, bald die Räte während Kalkheims Rede an. Als dieser endigte, sagte er:

»Da Se. Durchlaucht den damaligen Beschluß der Kammer bestätigt haben, so ist jetzt jede weitere Vorstellung unnötig, sogar beleidigend für den Fürsten und die Kammer, weil sie einen Vorwurf angetanen Unrechts enthalten würde.«

KAMMERRAT: Das tut sie auch, wenn sich die Kammer geirrt hat, was nun zu untersuchen ist. Der Fürst wird mir den Vorwurf des Unrechts gewiß verzeihen; denn nach der Vorstellung der Kammer glaubte er recht zu tun. Doch dieses wird sich ja alles aufklären. In einem Punkt hat die Kammer sich gewiß einmal geirrt; denn sagen Sie mir doch: wie konnte die Kammer für das vorgegriffene Gehalt zweier Monate mein Haus und meinen Garten verkaufen und die Sache meiner übrigen Gläubiger über sich nehmen, die gar nicht einmal erschienen, die gar nichts forderten, die die Kammer selbst aufsuchte? Wie konnte die Kammer vergessen, daß sie schuldig war, mir das für das Beste des Landes angewendete Geld zu ersetzen, wovon ich hier die gerichtlich bestätigten Rechnungen beigelegt habe?

PRÄSIDENT: Sie hatten es ohne allen Befehl getan, lieber Kammerrat; und bedenken Sie doch, wozu dieses führen würde, wenn jeder Beamte nach eignem Dünkel mit den fürstlichen Geldern verfahren wollte! Ich gestehe, daß es sehr drückend für Sie war, daß Sie es noch heute hart finden müssen; aber als ein so erfahrner und uneigennütziger Mann wissen Sie auch, daß die mit den besten Absichten unternommene Tat, wenn sie in Ansehung anderer schlimme Folgen haben kann, bestraft werden muß, sobald sie das Gesetz verletzt.

KAMMERRAT: Ew. Exzellenz haben wohl recht, aber auch ich kann recht haben; und da wir uns über diesen Punkt wohl schwerlich vereinigen können, so werde ich mein Amt nicht eher antreten, als bis ich durch einen neuen Spruch gänzlich gereinigt oder verworfen bin.

PRÄSIDENT: Der Fürst und die Kammer haben Sie dadurch freigesprochen, daß Sie wieder eingesetzt worden sind.



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