Geschichte Roms - von der Antike bis zur Gegenwart by C.H.Beck
Autor:C.H.Beck [C.H.Beck]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-19T04:00:00+00:00
11. Sacco di Roma und Neuanfang
Obwohl dem Lebensgenuss seines Vetters Leo X. zutiefst abhold, war Clemens VII. für seinen Chefberater Guicciardini als Herrscher eine Fehlbesetzung. Denn der zweite Medici-Papst war zwar von seiner hohen Würde durchdrungen und machtbewusst, jedoch unfähig, an einer einmal getroffenen Entscheidung festzuhalten. Diese Eigenschaften zeitigten in einer krisenhaften Umbruchzeit welthistorische Konsequenzen. So löste im fernen Britannien König Heinrich VIII., von der römischen Hinhaltetaktik in Sachen Ehescheidung erbost, sein Land definitiv aus der römischen Gefolgschaft heraus. Das konnte den einfachen Römern gleichgültig sein. Doch auch sie bekamen die Folgen der unsteten Politik ihres Herrn am eigenen Leibe zu spüren – und wie.
Am 24. Februar 1525 fand der seit einem Vierteljahrhundert tobende Kampf um Mailand sein vorläufiges Ende; König Franz I. von Frankreich geriet in der Schlacht von Pavia in die Gefangenschaft seines Erzrivalen Kaiser Karl V., der zugleich König von Spanien war. Wie sich Rom zu diesem neuen Hegemonialherrscher Europas stellen sollte – als Verbündeter oder Gegner –, darüber wurde im Beraterstab Clemens’ VII. lebhaft und kontrovers debattiert. Am Ende setzte sich die Partei durch, die für einen unabhängigen und notfalls oppositionellen Kurs votierte; das war eine Vorgabe, die nur mit beträchtlichem Fingerspitzengefühl, Risikobewusstsein und vor allem Geradlinigkeit erfolgversprechend sein konnte. An all diesen Qualitäten aber gebrach es dem Papst im höchsten Maße. Schon zwei Jahre später war der Weg in den Abgrund vorgezeichnet. Nach mehrfachen Bündnis- und Richtungswechseln – nicht von Wagemut, sondern von Unentschiedenheit und Angst diktiert – hatte Rom selbst bei seinen Alliierten jeden Kredit verspielt. Karl V. seinerseits nahm Clemens übel, dass dieser seinen französischen Gegenspieler vom Eid gelöst hatte, den dieser als Voraussetzung für seine Freilassung hatte schwören müssen.
Dazu kam ein fataler Zufall. Die deutschen Landsknechte, die in Karls Auftrag nach Italien zogen, verloren durch einen Schlaganfall ihren Kommandanten Georg von Frundsberg, der sie noch am ehesten hatte bändigen können. Der jetzt alleine bestimmende Feldherr Charles de Bourbon aber war von seinem Landesherrn, König Franz von Frankreich, abgefallen und nach mancherlei Täuschungsmanövern zu dessen Todfeind Karl übergegangen – in den Augen des aristokratischen Europa war das ein Verrat, dessen Makel allenfalls ein heroischer Tod tilgen konnte. Bourbon war so für eine Politik des «Alles oder nichts» geradezu prädestiniert. Auf der anderen Seite sahen Clemens’ italienische Verbündete unter der Führung des – nach Vertreibung der Medici in sein angestammtes Territorium zurückgekehrten – Herzogs von Urbino keinen Anlass, für den unberechenbaren Papst allzu viel zu riskieren. So folgte ihre Armee dem immer schlechter verproviantierten, immer abgerisseneren und immer verzweifelter marodierenden Aufgebot des Kaisers in sicherem Abstand, sorgfältig darauf bedacht, jedes Gefecht zu vermeiden. Am Abend des 4. Mai 1527 hatte dieser wilde Heerhaufen schließlich die Ewige Stadt erreicht. Dort wartete Bourbon erst einmal auf Sendboten des Papstes – und deren Vorschläge. Boten sie genügend Geld, um die Truppen zufriedenzustellen, war ein Abzug ohne Kampf keineswegs ausgeschlossen. Im Gegenteil: Niemand aus diesem entkräfteten Heer war auf einen potentiell verlustreichen Kampf um die römischen Mauern sonderlich erpicht. Doch die Emissäre kamen nicht. Clemens wähnte sich mehr
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