Geschichte Frankreichs by Ernst Hinrichs
Autor:Ernst Hinrichs [Hinrichs, Ernst]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783159606453
Herausgeber: Reclam
veröffentlicht: 2015-12-19T16:00:00+00:00
Das Programm Napoleons
In seiner Erklärung vom 15. Dezember 1799 formulierte Napoleon das Programm seiner Herrschaft, die erst 1815 endgültig zu Ende gehen sollte, mit folgenden Worten: »Bürger, die Revolution ist an die Prinzipien gebunden, nach denen sie angetreten ist. Die Revolution ist zu Ende.« In der Tat hielt Napoleon mehrere Errungenschaften der revolutionären Phasen aufrecht: Der Verkauf der Nationalgüter wurde anerkannt, der freie Zugang zu allen öffentlichen Posten garantiert, die Abschaffung der Zünfte anerkannt. Mit dem Franc Germinal schuf er eine stabile Währung und mit der Banque de France eine die Geld- und Kreditgeschäfte koordinierende Instanz. Das Zivilgesetzbuch, der Code Napoléon, der im Jahre 1804 verabschiedet wurde und den Abschluss einer langen justizreformerischen Reflexions- und Reformtätigkeit bildete, setzte in deutlicher Abkehr von den vielfältigen Gewohnheitsrechten des Ancien Régime das geschriebene Recht der Revolution durch. Er ließ vor allem dem Landeigentum besonderen Schutz angedeihen, schrieb die Gewissens- und Vertragsfreiheit ebenso wie die Laizität des Staates fest. Wenn gegenüber früheren Entwürfen auch die Rolle der Frau im gesellschaftlichen Leben eingeschränkt und die Scheidung erschwert wurde, so stand die Kodifizierung der Rechte des Individuums doch deutlich in der revolutionären Tradition. Gleichzeitig wurde der individuellen Leistung ein möglichst großer Raum eröffnet. Nicht nur in der Armee, sondern auch in den Gymnasien, der Universität und den Eliteschulen sollten die Besten Ausbildungs- und Aufstiegschancen erhalten. In all diesen Zusammenhängen verstand sich Napoleon als Kind der Revolution. In einer Bluttat gab er dieser Herkunft sogar einen symbolischen Ausdruck. So ließ er auf der Suche nach royalistischen Verschwörern 1804 den Herzog von Enghien entführen und ermorden. Da dieser ein Mitglied des Hauses Bourbon war, reihte sich Napoleon in die Reihen derjenigen ein, die durch ihre Zustimmung zur Hinrichtung Ludwigs XVI. unwiderruflich mit dem Ancien Régime gebrochen hatten.
Zugleich setzte er vor allem bis 1804 alles daran, Gräben, die die Revolutionszeit aufgerissen hatte, zuzuschütten. Zwar grenzte er sich sowohl von den Jakobinern als auch von den Royalisten ab, verzichtete aber auf die Verfolgung der Priester, die den Eid auf die Verfassung nicht geleistet hatten und erlaubte Emigranten die Rückkehr nach Frankreich. In der Verwaltung beschäftigte er Männer mit unterschiedlicher politischer Vergangenheit und ließ emigrierte Adlige zu seinem Hof zu. Vor allem mit der katholischen Kirche fand er im Konkordat (1802) ein Arrangement, in dem sowohl die Rechtmäßigkeit des Verkaufs der Kirchengüter anerkannt als auch eine personelle Veränderung unter den Bischöfen bewirkt und gleichzeitig die dauernd aufflackernden Konflikte beseitigt werden sollten. Damit wurde aber auch der Kirche ein Handlungsspielraum eingeräumt, den diese in einigen Gegenden Frankreichs zur Propagierung konterrevolutionären Gedankengutes nutzte. Ein deutliches Zeichen der Distanzierung von der Vergangenheit war schließlich die Entscheidung, mit dem 31. Dezember 1805 die Geltung des im Oktober 1793 eingeführten revolutionären Kalenders zu beenden.
Die Revolution zu beschließen hieß in der Meinung zahlreicher Zeitgenossen vor allem, die Instabilität der innenpolitischen Verhältnisse zu beseitigen. Dass eine starke Zentralgewalt notwendig sei, um die revolutionären Errungenschaften zu bewahren, diese Auffassung hatte sich bereits im Direktorium ihren Weg gebahnt und leitete auch Napoleons Maßnahmen. Die neue Verfassung gehorchte folgendem, von Cabanis
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