Gesammelte Werke by Johanna Spyri

Gesammelte Werke by Johanna Spyri

Autor:Johanna Spyri [Spyri, Johanna]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783736402508
Herausgeber: andhof
veröffentlicht: 2015-11-29T16:00:00+00:00


Bei der Großmutter

Am andern Morgen kam wieder die helle Sonne, und dann kam der Peter und die Geißen, und wieder zogen sie alle miteinander nach der Weide hinauf, und so ging es Tag für Tag, und Heidi wurde bei diesem Weideleben ganz gebräunt und so kräftig und gesund, daß ihm gar nie etwas fehlte, und so froh und glücklich lebte Heidi von einem Tag zum anderen, wie nur die lustigen Vögelein leben auf allen Bäumen im grünen Wald. Wie es nun Herbst wurde und der Wind lauter zu sausen anfing über die Berge hin, dann sagte etwa der Großvater: »Heut' bleibst du da, Heidi; ein Kleines, wie du bist, kann der Wind mit einem Ruck über alle Felsen ins Tal hinabwehen.«

Wenn aber das am Morgen der Peter vernahm, sah er sehr unglücklich aus, denn er sah lauter Mißgeschick vor sich: einmal wußte er vor Langeweile nun gar nicht mehr was anfangen, wenn Heidi nicht bei ihm war; dann kam er um sein reichliches Mittagsmahl, und dann waren die Geißen so störrig an diesen Tagen, daß er die doppelte Mühe mit ihnen hatte; denn die waren nun auch so an Heidis Gesellschaft gewöhnt, daß sie nicht vorwärts wollten, wenn es nicht dabei war, und auf alle Seiten rannten. Heidi wurde niemals unglücklich, denn es sah immer irgend etwas Erfreuliches vor sich. Am liebsten ging es schon mit Hirt und Geißen auf die Weide zu den Blumen und zum Raubvogel hinauf, wo so mannigfaltige Dinge zu erleben waren mit all den verschieden gearteten Geißen; aber auch das Hämmern und Sägen und Zimmern des Großvaters war sehr unterhaltend für Heidi; und traf es sich, daß er gerade die schönen runden Geißkäschen zubereitete, wenn es daheimbleiben mußte, so war das ein ganz besonderes Vergnügen, dieser merkwürdigen Tätigkeit zuzuschauen, wobei der Großvater beide Arme bloß machte und damit in dem großen Kessel herumrührte. Aber vor allem anziehend war für das Heidi an solchen Windtagen das Wogen und Rauschen in den drei alten Tannen hinter der Hütte. Da mußte es immer von Zeit zu Zeit hinlaufen von allem anderen weg, was es auch sein mochte, denn so schön und wunderbar war gar nichts, wie dieses tiefe, geheimnisvolle Tosen in den Wipfeln da droben; da stand Heidi unten und lauschte hinauf und konnte niemals genug bekommen, zu sehen und zu hören, wie das wehte und wogte und rauschte in den Bäumen mit großer Macht. Jetzt gab die Sonne nicht mehr heiß wie im Sommer, und Heidi suchte seine Strümpfe und Schuhe hervor und auch den Rock, denn nun wurde es immer frischer, und wenn das Heidi unter den Tannen stand, wurde es durchblasen wie ein dünnes Blättlein, aber es lief doch immer wieder hin und konnte nicht in der Hütte bleiben, wenn es das Windeswehen vernahm.

Dann wurde es kalt, und der Peter hauchte in die Hände, wenn er früh am Morgen heraufkam, aber nicht lange; denn auf einmal fiel über Nacht ein tiefer Schnee, und am Morgen war die ganze Alm schneeweiß und kein einziges grünes Blättlein mehr zu sehen ringsum und um.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.