Gesammelte Werke (German Edition) by Cicero Marcus Tullius
Autor:Cicero, Marcus Tullius [Cicero, Marcus Tullius]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783733908836
veröffentlicht: 2014-10-29T23:00:00+00:00
›Immer sagt' ich, werd' auch sagen,
Daß im Himmel Götter sind,
Doch nicht glaub' ich, daß sie's kümmert,
Was die Menschen treiben hier.‹
Und zwar fügt er den Grund bei, warum er das glaubt. Es ist aber nicht nötig, das darauf Folgende zu sagen; es genügt einzusehen, daß jene das als gewiß annehmen, was zweifelhaft und streitig ist.
LI. 105. Es folgt weiter: ›Den Göttern ist nichts unbekannt, weil alles von ihnen angeordnet ist.‹ – Wie groß ist aber hier der Streit der gelehrtesten Männer, die da leugnen, daß dies von den unsterblichen Göttern angeordnet sei! – ›Aber es liegt uns daran zu wissen, was sich ereignen wird.‹ – Es gibt ein großes Buch von Dikaiarchos darüber, daß es besser sei, es nicht zu wissen, als es zu wissen. – Sie leugnen, ›daß es der Würde der Götter unangemessen sei‹ – nämlich in jedermanns Hütte hineinzugucken, um zu sehen, was einem jeden nützlich sei. 106. ›Es ist unmöglich, daß sie das Zukünftige nicht vorauserkennen sollten.‹ – Die Möglichkeit leugnen die, welche behaupten, das, was geschehen werde, sei nicht fest bestimmt. Siehst du also wohl, daß das, was zweifelhaft ist, für ein Gewisses und Zugestandenes angenommen wird? Hierauf holen sie weit aus und schließen so: ›Es ist also nicht denkbar, daß es Götter gibt und daß sie das Zukünftige nicht anzeigen‹; denn dies halten sie schon für ausgemacht. Dann stellen sie den Untersatz auf: ›Es gibt aber Götter‹, was eben nicht von allen zugestanden wird. ›Sie zeigen also an.‹ Auch das folgt nicht; denn es kann sein, daß die Götter nicht anzeigen und doch existieren. ›Und wenn sie anzeigen, so eröffnen sie uns auch Wege zur Erkenntnis der Anzeichen.‹ Aber auch das ist möglich, daß sie den Menschen keine geben und sie doch haben. Denn warum sollten sie diese lieber den Etruskern als den Römern geben? – ›Und wenn sie Wege eröffnen, so muß es auch eine Weissagung geben.‹ Gesetzt, die Götter eröffneten Wege (was widersinnig ist); was hilft es, wenn wir sie nicht finden können? Der Schluß ist: ›Es gibt also eine Weissagung.‹ Mag das der Schluß sein; bewiesen ist es dennoch nicht. Denn aus falschen Vordersätzen kann, wie wir von ihnen selbst gelernt haben, die Wahrheit nicht erwiesen werden. Die ganze Schlußfolgerung liegt also zu Boden.
LII. 107. Kommen wir jetzt zu unserem braven Freund Kratippos . ›Wenn ohne Augen‹, sagt er, ›die Verrichtung und das Amt der Augen nicht stattfinden kann, die Augen aber bisweilen ihren Dienst nicht versehen können, so ist doch derjenige, der nur einmal seine Augen so gebraucht hat, daß er das Wahre sah, mit dem Sinne der Augen, die das Wahre sehen, begabt. Ebenso also, wenn ohne Weissagung die Verrichtung und das Amt der Weissagung nicht stattfinden kann; es kann aber einer, wenn er die Weissagung besitzt, bisweilen irren und das Wahre nicht sehen, so reicht es doch zur Bestätigung der Weissagung hin, daß einmal etwas so geweissagt worden ist, daß nichts durch Zufall sich dabei ereignet zu haben schien. Dergleichen Beispiele gibt es aber unzählige; folglich muß man zugestehen, daß es eine Weissagung gibt.
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