Geister der Nacht by Robert E. Howard
Autor:Robert E. Howard [Howard, Robert E.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: TF 50
veröffentlicht: 2014-06-21T04:00:00+00:00
Schon immer hatte die Ruhelosigkeit seiner Seele Pyrrhas, den Argiver, in seinen Träumen gequält und ihn auf die lange Wanderschaft getrieben. Sie hatte ihn von den blauen Bergen seiner Rasse südwärts in die fruchtbaren Täler und meerumschlungenen Ebenen geführt, wo sich die Hütten der Mykenäer erhoben; und von dort auf die Insel Kreta, wo dunkelhäutige Fischer in einer einfachen Stadt aus unbehauenem Stein und Holz mit den Schiffen aus Ägypten Handel trieben. Mit einem dieser Schiffe war er nach Ägypten gefahren, wo die Menschen unter der Peitsche ihrer Herren die erste Pyramide errichteten, und wo er in den Reihen weißhäutiger Söldner die Kriegskunst erlernte. Doch seine Wanderlust trieb ihn weiter, über das Meer, zu einem Handelsstädtchen an der Küste Kleinasiens, Troja genannt. Von dort aus zog er südwärts hinein in das Gemetzel und Brandschatzen von Palästina, wo die ursprünglichen Bewohner des Landes unter den Füßen der barbarischen Kananiter zertrampelt wurden. Und so kam er auf Umwegen schließlich zu den Ebenen Sumers, wo Stadt gegen Stadt kämpfte und die Priester einer Unzahl von Göttern gegeneinander intrigierten, wie sie es seit Anbeginn der Zeit getan hatten und noch Jahrhunderte danach, bis eine obskure Grenzstadt namens Babylon ihren Stadtgott Merodach über alle anderen Göttern als Bel-Marduk, den Bezwinger Tiamats, erhob.
Die Saga Pyrrhas’, des Argivers, ist farblos und schwach, verglichen mit seinem Leben. Sie vermag kaum die Echos der Heldentaten zu beschreiben, die sie aufzeichnet; die rauschenden Feste, die Gelage, das wahre Gesicht der Kriege, das Bersten der Schiffe und der Sturm der Streitwagen. Möge es genügen, zu erwähnen, daß Könige den Argiver ehrten, und daß in ganz Mesopotamien kein Mann so gefürchtet war wie dieser goldhaarige Barbar, dessen Kriegskünste und Wildheit die Heere Erechs auf dem Schlachtfeld brachen und Nippur vom Joch dieser Stadt befreiten.
Von einer Berghütte hatte Pyrrhas es zu einem Palast aus Jade und Elfenbein gebracht. Doch die fast vergessenen Träume der Kindheit in der armseligen Hütte seines Vaters waren nicht so fremdartig und grauenvoll gewesen wie die Träume, die ihn im seidenen Bett im Türkisturm seines Palasts in Nippur heimsuchten.
Aus diesen Träumen erwachte Pyrrhas plötzlich. Keine Lampe brannte in seinem Gemach, der Mond war noch nicht aufgegangen, nur das Licht der Sterne suchte sich kraftlos einen Weg durch das Fenster. Und in seinem Schein bewegte sich etwas und nahm Form an. Die vagen Umrisse einer schlanken Gestalt waren zu sehen, das Glitzern eines Auges. Mit einemmal drückte die Nacht heiß und still auf Pyrrhas herab. Er hörte das wilde Pochen seines Blutes in den Adern. Weshalb sollte er sich vor einer Frau in seinem Schlafgemach fürchten? Aber nie hatte es eine Sterbliche von so katzengleicher Grazie gegeben, nie hatten die Augen einer Frau in der Dunkelheit gebrannt! Mit einem keuchenden Knurren sprang er aus dem Bett, und seine Klinge schnitt pfeifend durch die Luft – durch die leere Luft. Von irgendwoher drang ein spöttisches Lachen an seine Ohren, aber die Gestalt war verschwunden.
Ein Mädchen rannte hastig mit einer Lampe ins Gemach.
„Amytis! Ich habe sie gesehen! Es war kein Traum! Nicht diesmal! Sie lachte mich aus!“
Amytis zitterte, als sie die Lampe auf den Ebenholztisch stellte.
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