Gegen jede Regel by Sebastian Stammsen

Gegen jede Regel by Sebastian Stammsen

Autor:Sebastian Stammsen
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-01-21T05:00:00+00:00


Reinhold erwartete uns mit einem Grinsen im Gesicht. Das war in Tagen von Serienmördern auf freiem Fuß und einer Schmutzkampagne in der Presse ein unerwarteter Anblick.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte ich misstrauisch.

Reinhold grinste nur noch mehr. »Wir haben ein Phantombild«, sagte er. »Das wird unsere Fahndung voranbringen.«

Das wussten wir natürlich schon. »Das ist noch nicht alles, oder?«

»Nee, das Beste ist, meine Sekretärin leitet alle Anrufe an den benannten Kontaktbeamten weiter. Mein Telefon hat heute noch nicht ein einziges Mal geklingelt.«

»Alle Achtung«, sagte ich.

»Und das wird auch so bleiben«, sagte Reinhold.

»Aber wenn ihr den Kerl gefasst habt, wirst du doch die Glückwünsche entgegennehmen.«

»Ich werde sogar ein Interview geben …«

»Echt?«

»… für den Fall, dass die Presse sich entschuldigt.«

»Ach so. Ich kann mir eh nicht vorstellen, dass du Interviews gibst.«

Egon und Marla tauchten gemeinsam mit den anderen Kollegen auf und wir nahmen den für eine polizeiliche Lagebesprechung angemessenen würdevollen Emst an. Mir war die Lust auf Albernheiten sowieso plötzlich vergangen.

Egon ließ uns den Vortritt bei der Berichterstattung. Ich schilderte unsere Tätigkeiten und Erkenntnisse seit unserer letzten Besprechung und versuchte dabei, mir meine Frustration nicht anmerken zu lassen.

»Insgesamt also eine Bestätigung unserer bisherigen Ermittlungsergebnisse und Vermutungen«, fasste Reinhold zusammen.

»Das E-Mail-Spiel ist ein neuer Aspekt«, meinte ich. Ich versuchte, neutral zu klingen. Das Spiel und seine Spieler waren mir immer noch suspekt, aber ich wollte mich nicht aus dem Fenster lehnen.

»Die Sache ist die«, erklärte Nina, »egal für wie unwahrscheinlich wir es halten, dass einer der anderen Mitspieler Tobias umgebracht haben könnte, wir müssen es aus rein formalen Gründen überprüfen. Sofern wir nicht bei einer anderen Spur den Durchbruch schaffen.«

Bei dieser Bemerkung grinste Egon. Das gab mir einerseits Hoffnung, dass der Fall doch nicht auf der Stelle trat, andererseits brachte es mich zur Weißglut, Egons selbstgefälliges Grinsen zu sehen.

Ich erinnerte mich daran, dass er mich damit auf die Palme bringen wollte, und atmete möglichst unauffällig tief durch.

»Warum müssen wir bei Tobias’ Mitspielern ermitteln?«, fragte Reinhold.

»Tobias hat geschummelt. Er hat eine E-Mail gefälscht. Die Partie ist Teil der Deutschen Meisterschaft. Auch wenn wir es für unwahrscheinlich halten, so ist es doch zumindest theoretisch ein Motiv.«

Reinhold nickte langsam. »Ja, das stimmt wohl. Wie wollt ihr denn weiter vorgehen?«

»Wir werden heute Nachmittag zum Betreiber der Webseite fahren und ihn befragen. Er wird uns eine Liste zusammenstellen mit Partien, in denen Tobias schon einmal gegen die anderen gespielt hat. Vielleicht gibt es ja noch offene Rechnungen.«

»In Ordnung, gute Idee. Hattet ihr mehr Glück?«, fragte Reinhold an Egon gewandt.

Es war erstaunlich, wie Egon das schaffte, aber er konnte auch mit dem Grinsen noch sprechen. »Ja, das hatten wir.«

»Lass hören.«

»Wir haben Frau Veen befragt. Sie hat zugegeben, mit Tobias per E-Mail Fotos ausgetauscht zu haben.«

Das war nicht unbedingt eine sensationelle Erkenntnis.

»Wir haben sie zwei Stunden verhört, aber sie hat bestritten, dass es zu sexuellen Kontakten zwischen ihr und Tobias gekommen ist.«

Das überraschte mich nicht. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Wenn ich bedachte, dass sie von Egon zwei Stunden bearbeitet worden war, und wenn ich an die Aussagen der anderen Frauen dachte, konnte es sogar stimmen.



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