Gegen die Zeit by Angelowski

Gegen die Zeit by Angelowski

Autor:Angelowski
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-08-14T16:00:00+00:00


Ehrenstraße

»Sie müssen sich beruhigen«, sagte Doktor Keppler. »Atmen Sie tief durch und setzen Sie sich.«

Adam dachte nicht daran. Er wollte sich nicht beruhigen und lief im Kreis. Immer um Doktor Kepplers flauschigen Teppich herum. Der Psychiater wirkte angespannt, so jedenfalls interpretierte Adam seine Körperhaltung.

»Erzählen Sie mir doch wenigstens, was los ist«, hörte er Keppler sagen.

Adam wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hätte gerne seine Hemdsärmel hochgekrempelt, aber er wollte nicht, dass Keppler die Schnitte auf seinen Armen sah. »Ich bin stinksauer auf Sie! Ich habe Sie angerufen. Sie haben gesagt, ich kann Sie in dringenden Fällen anrufen!«

Keppler atmete tief durch. »Das stimmt, aber ich war auf einem Kongress und bin erst heute Morgen zurückgekommen. Ich habe noch versucht, Sie zurückzurufen, aber Sie waren wohl schon unterwegs. Was war denn los? Was wühlt Sie denn so auf?«

Adam setzte sich. »Der ganze Scheiß, den Sie mir immer einreden, funktioniert bei mir nicht. Es geht mir nicht besser, wenn ich meine Aggressionen rauslasse! Ich will einfach nur meine Ruhe haben! Ich habe einen meiner Arbeitskollegen blutig geschlagen. Das ist der beste Beweis! Ich hab die Sache nicht im Griff. Ich schlage zu, verletze Leute. Nein, Dr. Keppler, das kann nicht das Ziel sein.«

»Hören Sie«, Kepplers Stimme klang gepresst, »früher haben Sie Ihre Aggressionen gegen sich selbst gerichtet. Nun sind Sie dabei, einen anderen Weg zu gehen. Sie suchen noch nach Ausdrucksformen für Ihre Wut. Sport hilft, treiben Sie jetzt Sport? Sie müssen die Dinge auch umsetzen, die wir hier besprechen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie unsere Zusammenarbeit nicht ganz ernst nehmen.«

Adam schwieg.

Keppler fuhr fort. »Sie sind ja nicht ganz freiwillig hier. Die Besuche bei mir sind eine Auflage der Psychiatrie, und es ist wichtig, dass Sie mit mir zusammenarbeiten. Ich bezweifle allerdings bisweilen, ob Sie das wirklich wollen.«

Adam starrte ihn an. »Wie meinen Sie das?«

»Ich frage mich zum Beispiel, ob Sie mir wirklich alles erzählen. Und das ist ein Problem. So kann ich nicht wirklich effektiv mit Ihnen arbeiten. Vor allem weil ich nicht weiß, worum es in diesem Katz-und-Maus-Spiel geht.«

Adam stand auf, ging auf Keppler zu und beugte sich zu ihm hinunter. »Sie haben nicht umsonst studiert.«

Der Psychiater wich zurück. »Setzen Sie sich, Herr Dalcher, bitte. So kann ich nicht mit Ihnen reden.«

Adam stützte sich auf Kepplers Sessellehne. Sein Gesicht war jetzt nur Zentimeter von dem des Psychiaters entfernt. Er konnte seinen Schweiß riechen.

Keppler wich weiter zurück. »Ich dachte bisher, dass Sie das Opfer sind. Adam Dalcher, der von der ganzen Welt verraten und verkauft wurde. Benachteiligt von Geburt an, nicht geliebt, ausgenutzt und zu Unrecht in die Psychiatrie gesperrt. Ich glaube langsam, dass Ihr aggressives Verhalten das wahre Problem ist und die Autoaggression nur vorgeschoben ist. Wie soll denn sonst das Bild, das Sie von sich selbst gezeichnet haben, zu dieser Attacke gegen mich passen?«

»Überhaupt nicht«, sagte Adam, schloss die Augen und versuchte, ruhiger zu atmen. Er musste reden, und was noch wichtiger war, er durfte jetzt keinen Fehler machen. Er bekam die Sache allein nicht in den Griff und war gerade dabei, sich alles kaputtzumachen.



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