Gegen die Gezeiten by Mia Salberg

Gegen die Gezeiten by Mia Salberg

Autor:Mia Salberg
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Jugendroman
ISBN: 9783764190361
Herausgeber: Ueberreuter
veröffentlicht: 2014-06-22T22:00:00+00:00


Kapitel 14

Am Freitagmorgen huschte Ella im Pyjama ins Bad. Überrascht stellte sie fest, dass Ailsa im Wohnzimmer saß und eine Handarbeit vor sich ausgebreitet hatte.

Als Ella mit der Katzenwäsche fertig war, thronte die alte Dame schon in dem Kapitänsstuhl neben ihrem Bett. Ella grinste in sich hinein. Wenn die Uroma wüsste, dass Peppa sonst immer darin schlief, würde sie vermutlich die Nase rümpfen.

In Ailsas Schoß lag ein Klöppelkissen mit einem feinen Gespinst. Dicke Holzstäbchen mit Fäden, die Klöppel, flogen übereinander und untereinander, schneller, als Ella folgen konnte. »Sarah arbeitet heute Vormittag in der Fabrik«, erklärte Ailsa. »Sie hat mich gebeten, nach dir zu schauen.«

Es war besser, ein bisschen Abstand zu Sarah zu gewinnen. Das Verhalten ihrer Tante gestern … Ella kochte innerlich bei dem bloßen Gedanken daran.

Ailsa unterbrach die Handarbeit und widmete sich der Teekanne, die sie auf das Nachtkästchen gestellt hatte. »Wenn du etwas brauchst, Kind, dann helfe ich dir gerne.«

Ella schaute betreten zu Boden. Sich von der gehbehinderten Urgroßmutter bedienen zu lassen, war ja noch peinlicher, als überhaupt krank zu sein.

»Ah, danke, ich komme klar«, krächzte Ella. Die Stimme rasselte in ihrem verstopften Brustkorb. Schleimtentakel zogen sich ihre Kehle hoch, und gleich musste sie würgen. »Mir geht’s viel besser«, log sie und unterdrückte heldenhaft den aufkeimenden Hustenreiz.

Ailsa nahm diese Aussage zur Kenntnis, als wäre das ihr Verdienst. »Na bitte. Ich habe Sarah gleich gesagt …« Sie brach ab. »Nicht so wichtig.«

»Ich bin aber froh über Gesellschaft.« Ohne Handy-Spiele und Internet waren Ellas Unterhaltungsmöglichkeiten sehr beschnitten. Aufs Lesen konnte sie sich kaum konzentrieren, ihr Kopf dröhnte immer noch viel zu sehr. Und nun wurde auch das Halskratzen schlimmer. Ella sprach das Naheliegende an: »Haben Sie denn keine Angst, sich anzustecken? Meine ande… äh, meine Großmutter darf man in der Seniorenresidenz nur besuchen, solange man kerngesund ist.«

Jetzt rümpfte die alte Dame tatsächlich die Nase.

Das sah so komisch aus, dass Ella lachen musste. Dann ließ sich das Unvermeidliche nicht mehr verhindern. Sie hustete, zweimal, dreimal, um endlich ungehindert atmen zu können. Es schüttelte ihren ganzen Körper durch. Müde sank sie in die Kissen zurück.

Erst als Ailsa auf dem Nachttisch mit der Kanne hantierte, wurde Ella munterer.

»Tut mir leid.« Sie stemmte sich auf die Ellbogen. »Ich möchte wirklich keinen anstecken.«

Ailsa winkte bloß ab. »Ich habe dir einen Tee aufgebrüht. Was immer dieses junge Ding aus der Stadt dir eintrichtert, es scheint ja nicht viel zu helfen. Sicher so ein neumodisches Antibiotikum – Anti Bio – also gegen das Leben.« Sie prustete verächtlich. »Wofür soll das gut sein?«

Die war ja mal ein echter Ökofreak! Was würde die alte Schottin dann erst über das Cortison in Ellas Inhalator sagen? Ella nippte ein winziges Schlückchen vom Tassenrand. Sogar der Tee schmeckte nach dem Salz der See – und das war das Freundlichste, was man über das bittere Gebräu sagen konnte. »Was ist denn da drin?«

»Blasentang und Sandsegge, das taugt gegen den Husten. Der Tee wird dir guttun. Wir haben damals so manchen Schiffbrüchigen damit hochgepäppelt, als es keine andere Medizin gab.«

Schiffbrüchig, das war ein gutes Stichwort.



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