Gebrauchsanweisung für Los Angeles by Strecker Rainer
Autor:Strecker, Rainer
Format: epub
Tags: Reise
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2014-12-28T16:00:00+00:00
Oscar klatscht und tratscht
Bald verleiht die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zum 86. Mal die Oscars. Die Stadt verändert sich. Man könnte meinen, Los Angeles mache sich das Gesicht zurecht für die mehreren Hundert Millionen Fernsehzuschauer der Welt. Aber nein, die Stadt wirkt eher wie ein Showmaster, der sich sammelt, bevor er die Bühne betritt. Ganz bei sich. Gestrahlt wird später.
Als Autofahrer muss man überlegen, wie man den Hollywood Boulevard am besten umfährt. Vor dem Kodak Theatre, entschuldigen Sie, dem Dolby Theatre (nachdem Kodak Insolvenz angemeldet hat, wird dieser Ort seit Mai 2012 nach dem neuesten Sponsor benannt), bauen Arbeiter Brückenkonstruktionen über den Boulevard, auf denen sich später Fotografen und Kameramänner drängen werden, um die vorbeiflanierenden Stars ablichten zu können. Die riesigen Oscarstatuen werden aufgestellt und poliert, der 150 Meter lange Teppich wird ausgerollt …
85 Fotografen, 91 Journalisten, 307 Kameramänner und andere, die zuständig sind für Ton, Licht oder Ähnliches, werden ein Spalier bilden, durch das sich das Theater vor den Augen der Welt langsam füllen wird. Lange vorher haben sich fast 600 Presseorganisationen für eine Akkreditierung beworben, weniger als die Hälfte werden tatsächlich vergeben.
Vieles bekommen wir als Fernsehzuschauer nicht mit. Wir sehen jubelnde Menschen, die den Stars auf dem roten Teppich von ihrer Tribüne zuwinken, und denken, das sind Fans, die dort bestimmt schon zwei Tage gezeltet haben, um die besten Plätze zu bekommen.
Zwei Tage vor der Verleihung kommt man dem Areal nicht mal nahe. Rund ums Dolby Theatre wird weiträumig abgesperrt. Ohne Eintrittskarte hat man keine Chance, auch nur ein Auto anrollen zu sehen. Jeder Platz direkt am roten Teppich ist lange vorher vergeben und spezifisch zugeteilt worden. Hauptsächlich an Journalisten und Fotografen. Für einen der 700 Tribünenplätze können sich die Fans von Mitte September bis Mitte November online bewerben. Wer von den 20 000 Bewerbern einen Platz bekommt, wird per Los entschieden.
Wir sehen nicht, dass die Fotografen dieses Jahr vielleicht kollektiv die Kameras senken, wenn Charlize Theron vorbeiläuft. Man ist verärgert, dass sie nicht lange genug stehen bleibt und zu wenig lächelt, und man erwägt, sie dieses Mal gar nicht zu fotografieren. Möglich, dass sie darüber nicht einmal unglücklich ist. George Clooney haben sie zuvor auch schon bei zwei Premieren »abblitzen« lassen. Die Fotografen fühlten sich durch seine Äußerungen in einen Topf geworfen mit den Paparazzi und fotografierten ihn erst wieder, nachdem er sich entschuldigt hatte.
Nicht einmal alle Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) bekommen ein Ticket für die Veranstaltung, denn das Theater fasst nur rund 3300 Plätze. Dennoch gibt es sogar für Nichtmitglieder ein Schlupfloch und die Möglichkeit, neben George, Angelina, Sean oder Tom zu sitzen: Sitz-Füller!
Ungefähr 150 sogenannte seat filler werden jedes Jahr zur Oscarverleihung engagiert. Angenommen, Johnny Depp ist nominiert, sitzt im Auditorium, und seine Freundin muss mal die gewissen Örtlichkeiten aufsuchen. Oder George Clooney verlässt seinen Platz, weil er einen seiner schrecklichen Fertig-Espressi trinken will. Es sieht nicht schön aus, wenn die Kamera im Saal Reaktionen auf die Reden zeigt oder die Anspannung eines Nominierten, und die Sitze daneben oder dahinter sind leer.
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