Gebrauchsanweisung für Budapest und Ungarn by Iro Viktor
Autor:Iro, Viktor [Iro, Viktor]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492972109
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-05-19T16:00:00+00:00
Über Ziegel.
Architektur in Ungarn
Ungarn ist eine verspätete Nation. Spät erfolgte die Sesshaftwerdung der Magyaren. Spät erlangte Ungarn seine staatliche Unabhängigkeit. Und spät erst erreichte die Infrastruktur Budapests das Niveau westeuropäischer Hauptstädte. Lange Zeit wurden mit dem Eifer des Nachzüglers architektonische Stile kopiert: Neo-Klassizismus, Neo-Gotik, Neo-Barock … Das ganze Spektrum des Historismus und Eklektizismus prägt Budapests Stadtbild und das anderer Orte in Ungarn. Ohne Frage finden sich immer wieder gelungene Gebäude: Der Sándor Palota (Palast) auf dem Budaer Burgberg beispielsweise, heute Sitz des Präsidenten, zählt zu den bemerkenswertesten Manifestationen des ungarischen Klassizismus. Sehenswert ist die Akademie der Wissenschaften auf der Pester Seite der Hauptstadt, gebaut von dem preußischen Architekten Friedrich August Stüler. Oder die Oper, nach Plänen von Miklós Ybl errichtet. Wie sehr das Land sich bemühte, nachzuholen und zu überbieten, was andernorts bereits erreicht war, veranschaulicht kein Gebäude so sehr wie das monumentale Parlament, das offensichtlich Anleihen am Palast von Westminster in London nimmt. Von 1887 bis 1904 dauerte die Bauphase, zur Fertigstellung benötigte man nicht weniger als vierzig Millionen Ziegel- und eine halbe Million Fassadenkalksteine. Bildhauer statteten das vom gegenüberliegenden Donauufer imposant anzusehende Gebäude mit 252 Skulpturen aus. Wäre das Zutrauen in die Politik in Ungarn so groß wie das Parlamentsgebäude, das Land hätte ein Problem weniger …
Allerdings erschöpfte sich die Bautätigkeit im Ungarn der Jahrhundertwende nicht auf die Imitation großer Vorbilder. Denn um 1900 entstand eine spezifisch ungarische Variante des Jugendstils, die sich durch das Aufgreifen landestypischer Volkskunstmotive insbesondere von der Wiener Sezessionsarchitektur abhob. Was Béla Bartók und Zoltán Kodály für die Musik leisteten, schafften Architekten wie Ödön Lechner und Zsigmond Quittner für das, was manchmal als »gefrorene Musik« bezeichnet wird: die Architektur. Folkloristische Symbolik verschmolz mit einer modernen Formensprache und gerann somit zu Ungarns erstem architektonischen Nationalstil. Hinzu kam ein originär ungarisches Baumaterial: die Zsolnay-Kachel. Der 1854 in Pécs gegründete Familienbetrieb für Kunstkeramik und Glasuren entwickelte mit seiner Pyrogranit-Technik ein Emailleverfahren, das Baukeramik von hoher Beständigkeit und einzigartiger Farbkraft hervorbrachte. Tatsächlich war der Architekt Ödön Lechner in der Fabrik persönlich an der Entwicklung spezieller Glasuren beteiligt. Seit etwa 1890 setzten die wichtigsten Baukünstler Ungarns Ziegel und Kacheln aus Pécs in ihren Bauten ein, natürlich auch in Pécs selbst, wo beispielsweise der Postpalast von 1905 beeindruckt. Schauen Sie sich diese kräftigen, leuchtenden Farben an: oft Gelb und Grün, wie beim Budapester Kunstgewerbemuseum und beim Cifra Palota in Kecskemét (1903), aber auch in einem satten Dunkelrot wie beim Pécser Rathaus (1897).
Wer durch Ungarn reist, kann den Jugendstil nicht übersehen, nicht nur in seiner etwas plumperen Fassadengestaltung wie beim Budapester Gellért-Hotel. Bemerkenswert filigran ist zum Beispiel der frisch sanierte Reök Palota in Szeged aus dem Jahr 1907. Dieses leuchtend weiße Haus berückt mit seinen grün gestrichenen Geländern aus Gusseisen und feinen floralen Reliefs. In der Hauptstadt finden sich viele Jugendstil-Höhepunkte im Stadtteil Lipótváros, auf Deutsch: Leopoldstadt. Dieses Viertel, wegen Börse und Banken die »City« im Londoner Sinne des Wortes, beherbergt nicht nur eine ganze Reihe sehenswerter, sondern vor allem auch sanierter Jugendstilbauten. Denn damals wie heute brachten Banken und Versicherungen das Geld für diese aufwendig gestalteten Gebäude auf.
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