Fronleichnamsmord by Bea Rauenthal
Autor:Bea Rauenthal
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00
7. Kapitel
Um zwei Uhr am nächsten Tag verließ Jo das Präsidium. Sie wollte die Mittagspause nutzen, um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Ein ziemlich scheußlicher Vormittag lag hinter ihr. Was zum Teil damit zu tun hatte, dass sie am Morgen völlig verkatert aufgewacht war. Anscheinend vertrug sie Cannabis wirklich nicht. Okay, nach dem Versuch mit Hanf im Mittelalter war dies endgültig mein letztes Drogenexperiment, beschloss sie.
Außerdem hatte sie sich ergebnislos durch Vernehmungsprotokolle von Stefans Lehnerts ehemaligen Mitschülern, Heiminsassen und Lehrern gequält. Einige Kollegen hatten die Vernehmungen in den letzten Tagen in Braunschweig durchgeführt. Da ihr Vater auf einer Tagung weilte, hatte Kaminski ihr aufgetragen, die Protokolle noch einmal durchzugehen – eine reine Strafarbeit vermutete Jo. Immerhin war es ein Lichtblick gewesen, dass Kaminski am frühen Vormittag aus seinem Büro verschwunden und seitdem nicht mehr zurückgekehrt war.
Mildes Sonnenlicht lag über dem Parkplatz. Piece of your heart vor sich hin summend, ging Jo zu ihrem Käfer.
»Fräulein Weber …« Wie aus dem Nichts tauchte Hauptkommissar Kaimann vor ihr auf. Zwei Männer in dunklen Anzügen und mit Sonnenbrillen vor den Augen begleiteten ihn. Einer der beiden war auffallend groß.
»Ja …?«, fragte Jo alarmiert.
»Ich muss Sie bitten, mit uns zu kommen. Ich habe Fragen an Sie.«
»Ich denke überhaupt nicht daran. Wenn Sie mir Fragen stellen wollen, dann tun Sie das gefälligst im Präsidium.«
Kaimann lächelte kalt. »Fräulein Weber, wenn Sie nicht kooperieren, werden Sie vom Dienst suspendiert.«
Wortlos ging Jo weiter, doch einer der Typen mit den schwarzen Sonnenbrillen hielt sie am Arm fest. Jo wollte seine Hand abschütteln. Doch in diesem Moment fuhr ein Windstoß in die Pappeln am Rand des Parkplatzes und brachte die Blätter zum Rascheln.
»Falls Sie nicht mitkommen, werde ich verhindern, dass Sie wieder in die Gegenwart zurückkehren können«, hörte sie Kaimann sagen. Jo fuhr zu ihm herum.
»Ja, ich an Ihrer Stelle würde an meine Karriere denken«, bemerkte nun der andere Typ mit der Sonnenbrille. Jo starrte Kaimann an. Hatte er gesagt: Ich werde verhindern, dass Sie Karriere machen, oder hatte er wirklich gesagt: Ich werde verhindern, dass Sie in die Gegenwart zurückkehren können? Er hielt ihrem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, stand.
»Die Entscheidung liegt ganz allein bei Ihnen«, erklärte er mit sanfter Stimme.
Jos Herz raste. Nun gut, vielleicht war es wirklich am Besten, wenn sie zum Schein mit Kaimann kooperierte und ihrerseits herauszufinden versuchte, was er tatsächlich wusste.
»Ich komme mit«, sagte sie heiser.
»Schön, dass Sie vernünftig geworden sind.« Kaimann lächelte wieder kühl. »Wenn Sie uns nun bitte begleiten würden …« Er nickte mit dem Kopf in Richtung eines schwarzen Mercedes der gehobenen Klasse.
Der kleine Sonnenbrillen-Typ öffnete Jo die hintere Tür. Sie ließ sich auf den Ledersitz sinken, nur um gleich darauf, während die Tür zuschlug, zu registrieren, dass die Fenster innen verspiegelt waren und eine grau getönte Trennscheibe die Rückbank von den Vordersitzen trennte. Sie tastete nach dem Türgriff. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Der kleine Sonnenbrillen-Typ setzte sich neben sie. Dann fuhr der Wagen los.
Warum habe ich mich nur darauf eingelassen, diese Kerle zu begleiten?, fragte sich Jo, während sie gegen die Panik ankämpfte, die in ihr aufzusteigen drohte.
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