Friederike Pauly (German Edition) by Mona Ullrich

Friederike Pauly (German Edition) by Mona Ullrich

Autor:Mona Ullrich [Ullrich, Mona]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-04T04:00:00+00:00


Ja, wo die Leute alle ihre Augen haben, sogar Kinder, sogar neugierige Kinder – was sie nicht betrifft, nicht laut, unterstrichen betrifft, das bemerken sie nicht. Ich schien außer dem Ehepaar Flor der einzige Mensch hier oben zu sein, der wußte, daß jeden Abend um fünf der Dorfladen ausliefern kommt, denn mich konnte es ja vielleicht betreffen; was betrifft einen argwöhnischen Menschen in meiner Lage übrigens nicht? Ich interessierte mich täglich dafür, daß aus dem unauffälligen blauen Transporter stets der gleiche, etwas kahle, lebhafte kleine Mann ausstieg, daß auch niemand bei ihm war – niemand für meinen Argwohn; bei der Phyllis brachte mir meine Wachsamkeit den Anschein unendlicher Weisheit ein – ja, so ein Lehrer aus Deutschland! Letztendlich hatte ich dieser Zunft doch Ehre gemacht. Ich verließ die Phyllis in tiefem Sinnen über das, so hoffe ich jedenfalls, was sie vernommen hatte.

„Ja, danke auch!“ sagte sie, als ich schon fast im Haus war, machte sogar einen Knicks.

Seltsam erscheint mir der leichte Widerwille, den das Kind mir dann und wann machte, alles an ihm, die Hautfarbe, das Fröhliche, Offenherzige, auch dieser unverkennbare Kindergeruch. Wenn ich Voss, der Zyniker, wenn ich mein innerer Feind bin, ist es nicht so, fühle ich mich wohl – jedoch es fließen mir stets diese Wahrnehmungen hinein, verursachen leichte Kopfschmerzen. – Neu an diesem Geschehen sind nur die Kopfschmerzen. Es scheint mir Schmerz zu bereiten, in der bunten, gewöhnlichen, fröhlichen Welt zu leben, auch wenn sie mir stets wertvoll, wie lauter Gold, erschienen ist – dieser Schmerz läßt nur nach, wenn ich etwas finde, das vollkommen schön ist, etwas, das schwebt, leicht ist, weiß ist – es ist auch, wenn etwas mich auf sanfte Art an den Tod erinnert. Meine Sinne schmerzen eben noch von einer alten Trauer – um sie zu lindern, war Friederike Pauly gut, die alles sein konnte, fröhlich, gewöhnlich, verrückt, süß, weise, hart, hell, dunkel …

Ich habe soeben innegehalten, finde, daß mein Ausflug doch ertragreich war – für den wahren Voss mag Henriette Spielhagen, in welchem Zustand auch immer, zierlich, zart, verschroben, bleich, riesige dunkle Augen, braune Schatten unter den Augen, knochig, bläuliche Schatten auf der sehr hellen Haut, unernst, lustig, still dahinwelkend – eine Frau wie eine zarte weiße Nelke – lästig, ratlos: geradeso mag sie für mich eine erträglichere Gesellschaft, eine passendere, das ist das richtige Wort, gewesen sein als ihr Mann. Der mein Freund ist. Und den ich jetzt so wenig um mich haben mag wie die Phyllis. Von euch allen, Kindern der Welt, ertrage ich am besten noch den verrückten, gemeingefährlichen Sesemann. – Früher, da war ich eben verläßlich oft dieser alte Voss, der ein Soldat, ein Spaßmacher, ein hingebungsvoller Arbeiter ist. Wenn ich vor einer besonderen Aufgabe stand, einer Aufgabe für einen „Hexer“, trat dieser gewöhnliche Voss zurück, ließ einen Mann vor, den ich auch „Voss, den Dichter“ nennen könnte. Dieser Mann war lange Zeit so still, daß niemand, auch ich nicht, mich für einen Dichter gehalten hätte. Aber das ist er. Er ist erfinderisch. Er ist Gefühl.



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