Fried Amelie by Traumfrau mit Nebenwirkungen
Autor:Traumfrau mit Nebenwirkungen
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-03-18T12:47:12+00:00
Sechzehn
Ich stand fröstelnd am Bahnsteig und wartete auf Tante Elsie. Wir sahen uns nur selten, und ich war fast ein biÃchen aufgeregt. Es war schon so lange her, daà ich als ihr »PrinzeÃchen« bei ihr gelebt hatte. Ich wohnte damals unter dem Dach, mit schrägen Wänden und kleinen Fenstern, an denen bunte Gardinen mit kleinen Bären darauf hingen. Am Boden lag ein fröhlicher Flickenteppich, und auf dem Holzregal, das Tante Elsies Sohn Martin gebaut hatte, saÃen in Reih und Glied meine Puppen und Kuscheltiere.
Martin war Tante Elsies einziger Sohn, den sie nach dem frühen Tod ihres Mannes allein aufgezogen hatte. Er war fast schon erwachsen, als ich zu ihr kam, und ein scheuer, schweigsamer Junge, der panische Angst vor Frauen hatte.
Gleichzeitig war er unsterblich in die Nachbarstochter Karin verliebt. Als Karin mit zwanzig einen Ingenieur heiratete, fuhr Martin mit seiner uralten Ente gegen einen Baum.
Natürlich hat man nie herausgefunden, ob es ein Unfall oder Selbstmord war. Tante Elsie war überzeugt, daà er sich das Leben genommen hatte. Um ein Haar wäre sie selbst an gebrochenem Herzen gestorben. Ich glaube, nur weil ich da war und sie brauchte, blieb sie am Leben.
Nachdem mein Vater erfahren hatte, daà ich nicht seine Tochter war, ist er abgehauen. Ich glaube, er ist ins Ausland gegangen. Jedenfalls ist er nie wieder aufgetaucht, und ich habe bis heute keine Ahnung, wie er aussieht. Tante Elsie ist seine Schwester, aber sie meint, er sähe ihr nicht ähnlich.
Meine Mutter und Oriòl, mein echter Vater, haben wohl noch eine Weile versucht, miteinander auszukommen. Aber bald war auch er weg. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern. Nur, daà meine Mutter völlig fertig war, das weià ich noch. Sie saà im Wohnzimmer, ganz vorn auf der Kante eines Sessels, und weinte lautlos. Ich zupfte an ihrem Ãrmel, rief: »Mama, Mama was ist denn?«, aber sie reagierte überhaupt nicht.
Ich habe nichts mehr verstanden und furchtbare Angst davor gehabt, daà sie auch noch weggeht. Tatsächlich ist sie dann ziemlich krank geworden und lag lange im Krankenhaus. Da war ich ungefähr drei, und Tante Elsie hat mich zu sich genommen. Ich muà ziemlich verstört gewesen sein, wollte nicht mehr essen und habe gestottert.
Wir haben meine Mutter oft im Krankenhaus besucht. Sie war sehr hübsch, ganz zart und zerbrechlich, und obwohl ich selbst noch so klein war, hatte ich das Gefühl, ich müÃte sie beschützen. Sie hat nie ein Wort gesprochen. Woran sie starb, weià ich nicht genau. Ich glaube, sie wollte es einfach so. Aus dieser Zeit stammt meine Abneigung gegen Krankenhäuser.
»Achtung an Gleis vier, es fährt ein der Intercity aus Hamburg über Frankfurt, Würzburg, planmäÃige Ankunft vierzehn Uhr achtunddreiÃig!«
Ich schreckte hoch. Der Zug fuhr langsam auf mich zu und kam mit einem lauten Zischen zum Stehen. Die Türen öffneten sich automatisch, und die Reisenden, bepackt mit Koffern und Taschen, quollen heraus.
Ich reckte mich und suchte den Bahnsteig mit den Augen ab. Da, da vorn kam sie! Ich rià den Arm hoch und winkte.
»Tante Elsie!« rief ich und lief ihr entgegen. Sie winkte ebenfalls.
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