Frau Rosenberg legt los by Ursula Schroeder

Frau Rosenberg legt los by Ursula Schroeder

Autor:Ursula Schroeder [Schroeder, Ursula]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2014-09-28T22:00:00+00:00


10

Am nächsten Abend – Yuri hatte Schule, deshalb konnte ich ungehindert über den Computer verfügen – erhielt ich wieder die Chance, mit Roderick zu telefonieren und außerdem meine Kenntnisse über griechische Philosophen zu erweitern. Roderick war nämlich der Meinung, es sei Roger durchaus zuzutrauen, die Erinnerungsfrage als Ausgangspunkt für einen weiteren gedanklichen Schlenker zu nehmen. »Wenn Sokrates die direkte Antwort ist, dann ist möglicherweise ›antiker Philosoph‹ die eigentliche Gedankenstütze.«

Daraufhin öffneten wir beide die entsprechende Seite bei Wikipedia und machten uns zum Thema schlau. Die einzige einleuchtende Alternative mit sechs Buchstaben war Platon, aber das war falsch. Seneca oder Cicero hätten auch gepasst, waren aber keine Griechen, und ich hatte so das Gefühl, damit würden wir uns wirklich zu weit von Rogers Frage wegbewegen.

»Erstens war das nicht so Rogers Welt«, argumentierte ich. »Und zweitens frage ich mich: Wenn er sich an das Passwort nicht erinnern würde, käme er dann auf eine so verzwickte Gedankenkette?«

»Vielleicht wenn es sich um Naturwissenschaftler oder Erfinder handeln würde«, meinte Roderick. »Das war eher seine Kragenweite.«

Weil uns nichts Besseres einfiel, investierten wir deshalb nach längerer Diskussion unsere übrigen beiden Versuche in die Namen »Newton« und »Edison« und hatten danach wieder 24 Stunden Pause. »Ich mach mir etwas Sorgen, dass die irgendwann den Zugang ganz sperren«, gab ich zu bedenken.

»Glaube ich nicht«, sagte er beruhigend. »Das ist ja kein Bankkonto, deshalb werden die nicht die höchste Sicherheitsstufe anwenden. Diese Sperrung nach dem dritten falschen Passwort erfolgt ganz automatisch, aber ich denke nicht, dass das dokumentiert wird. Aber das bringt mich auf eine Idee. Ich hab einen Bekannten, der kennt wiederum jemanden, der in so einem Computerclub ist. Vielleicht weiß der, wie man diese Passwörter knackt.«

»Ich vermute, das ist nicht ganz legal«, sagte ich unsicher.

»Der Zweck heiligt die Mittel«, beruhigte er mich. »Wir brauchen doch das Passwort. Ich rufe auf jeden Fall morgen mal diesen Kumpel an.«

»Und ich mache mir weiter Gedanken«, versprach ich.

Irgendwann hatte ich ein ganzes Blatt voller Wörter mit sechs Buchstaben, die in irgendeiner Form mit Roger zu tun hatten, aber nicht mit dieser blöden Haustierfrage. Ich hätte ein Kreuzworträtsel damit füllen können, während die drei täglichen Versuche auf der Firemail-Seite doch sehr frustrierend waren.

Parallel dazu setzte ich natürlich meine Suche im Haus fort, soweit es meine Rippen zuließen. Inzwischen hatte ich unser Schlafzimmer und beide Kinderzimmer abgehakt und fragte mich, wie ich das Gästezimmer durchsuchen könnte, ohne Yuris Privatsphäre zu verletzen. Wie ich es drehte und wendete, ich würde ihn einweihen müssen.

Deswegen versuchte ich ihn am nächsten Tag zu erwischen. Er kam spät nach Hause, offensichtlich war er nach der Arbeit noch woanders hingefahren. Meine täglichen drei Versuche hatte ich bereits mit untauglichen Vorschlägen verschossen. Ich kam aus dem Wohnzimmer, als ich die Haustür hörte, um ihn nicht zu verpassen. Er hatte seine Lederjacke zu einer Art Paket gefaltet und legte sie gerade vorsichtig auf den Boden.

»Yuri, ich wollte …«

»Kleinen Moment«, knurrte er und ging in die Küche. Irgendwas kam mir bekannt vor, und dann sah ich, dass er an beiden Armen blutete und auch wieder eine Macke am Kopf hatte.



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