Fohl, Dagmar by Maedchen und sein Henker Das

Fohl, Dagmar by Maedchen und sein Henker Das

Autor:Maedchen und sein Henker Das
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-21T22:06:49+00:00


4

Jan Kock fuhr mit Martin, dem neuen Knecht, zum Hochgericht hinaus. Er sollte Hans bei den Galgenurteilen ersetzen. Hans war der Stadt verwiesen worden, nur weil er sich mit einem Soldaten der Garnison geprügelt hatte.

»Der Soldat hat den Streit angezettelt«, rief Hans, als sie ihn in Ketten aus der Stadt jagten. Jan Kock glaubte ihm. Hans war kein Raufbold. Er war ein guter Junge, hatte seine Arbeit immer gewissenhaft und zuverlässig verrichtet. Er war sein bester Knecht gewesen.

Sie kamen am Hökermarkt vorbei. Dort saßen Juden mit ihren Kramwaren und Marktfrauen mit Gemüse, Zitronen und Fischen. Gewöhnlich, dachte Jan Kock, hatte er nichts als Ärger mit den Knechten. Sie waren Streithähne, prügelten gerne, bestahlen und betrogen ihn, wo sie nur konnten. Sie forderten einen hohen Lohn und Aufschlag für jede Extraarbeit, die er ihnen auftrug. Wenn er nicht zahlte oder sie für ihre Diebereien zur Rechenschaft ziehen wollte, liefen sie einfach davon. Er hatte schon so manchen ungehobelten Kerl miterlebt. Als Meister war er verpflichtet, durchreisende Knechte drei Tage umsonst zu beherbergen und zu beköstigen. Das war ein ungeschriebenes Gesetz unter den Scharfrichtern. Sie konnten ja sonst nirgends unterkommen. Es waren rohe, brutale Gesellen darunter, und es fiel ihm schwer, den Kerlen auch noch Wegegeld in die Hand zu geben. Martin war ein anständiger Junge. Jan Kock war froh, dass er zwei Tage, nachdem Hans fort war, vor seiner Tür stand, um Arbeit bat und zudem Erfahrung mit dem Henken hatte.

Es war bereits später Nachmittag, als sie das Steintor passierten.

»Wir müssen uns beeilen, um vor Toresschluss wieder in der Stadt zu sein«, sagte Jan Kock. »Letztes Jahr hatten Hans und ich am Galgen zu tun und die Zeit vergessen. Es war an einem eiskalten Dezembertag. Als wir das Stadttor erreichten, war es bereits geschlossen. Die Wachen ließen uns nicht passieren, so sehr wir auch darum baten. Wir versuchten, eine Unterkunft zu finden. Weder im Schinkenkrug noch im Schwarzen Adler, selbst in der übelsten Spelunke, Zum wilden Mann, ließ man uns nicht logieren. Wir mussten die Nacht in einer Mulde unter freiem Himmel verbringen.«

»Ich musste auch schon draußen schlafen«, sagte Martin.

Der Wagen ruckelte heftig. Sie waren durch ein großes Schlagloch gefahren. »Scharfrichter«, sagte Jan Kock, »werden behandelt wie Pestkranke. Und wer mit ihnen in Berührung kommt, muss ebenfalls das Leben eines Aussätzigen führen. Vor einigen Jahren, als ich nach Ritzebüttel bei Cuxhaven geholt wurde, um zwei Räuber hinzurichten, hatte ich am Vorabend der Exekution ein Gasthaus aufgesucht, darauf vertrauend, dass mich niemand kannte. Ich trank ein paar Biere mit einem freundlichen Bauernjungen. Allmählich wurde es in der Gaststube immer leiser. Alle Blicke waren mehr und mehr auf mich, den Fremden, gerichtet. Es waren argwöhnische, zu Schlitzen geformte Augen. Die Männer witterten, dass ich der Scharfrichter war. Ich zahlte schnell und verließ die Schenke. Etwa ein Jahr später hat mir ein Amtmann erzählt, dass der Bauernbursche von jenem Abend an geächtet wurde, weil er mit mir getrunken hatte. Ein Jahr lang lebte der Junge im Moorgestrüpp und ernährte sich von Muscheln und Krabben. Der Amtmann hatte ihn wieder ehrlich gesprochen, aber die Dorfbewohner ächteten ihn weiterhin.



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