Florentin by Dorothea Schlegel
Autor:Dorothea Schlegel [Schlegel, Dorothea]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00
Eilftes Kapitel
Die Zeichnung war beinahe ganz angelegt, als die Sonne sich auf einmal hinter eine dicke Wolke verbarg, die ein plötzlicher Wind von Abend her am Horizont herauftrieb; es donnerte in der Entfernung. Unsere Wanderer rafften sich auf, um vor dem nahenden Gewitter noch ein Dorf zu erreichen, von dem sie nicht weit entfernt waren. Das Wetter zog sich aber schneller zusammen, als sie dahin gelangen konnten. Ein Wirbelwind jagte den Staub wie eine dichte Wolke über ihnen empor, der Donner kam näher, die Blitze wurden stärker, einzelne groÃe Regentropfen fielen. Juliane ward ängstlich, sie lief aus allen Kräften, bald versetzte der Sturm ihr den Atem, der Staub verdunkelte, und verletzte ihre Augen. Sie fürchtete ebensosehr auf freiem Felde zu bleiben, als Schutz unten einem Baume zu suchen. Ihre FüÃe waren vom Laufen auf den spitzen Steinen wund geworden, und sie stieà allenthalben an.
Ein starker Blitz, dem der Donner gleich nachfolgte, fiel vor ihnen[86] nieder, Julianes Knie wankten, sie fiel halb ohnmächtig zu Boden. Die beiden Freunde nahmen sie abwechselnd in ihre Arme, und trugen sie fort. Das Gewitter war nun ganz nahe, Blitz und Donner wechselten unaufhörlich, der Regen strömte in Güssen herab.
In der Verwirrung verfehlten sie den rechten Weg zum Dorfe, sie irrten, für Julianes Gesundheit besorgt, ängstlich umher; endlich erblickten sie, indem sie an einem Bache hinaufgingen, am jenseitigen Ufer eine Mühle, die einsam im Tale lag, von Bergen umschlossen. Eine Brücke ging nicht hinüber, sie riefen laut; aber der Sturm und das Rauschen des Bachs war lauter als ihre Stimmen. Endlich gelang es ihnen nach vielem Winken und Rufen bemerkt zu werden; einige Müllerburschen kamen mit einem Kahn zu ihnen herüber, nahmen die beiden Freunde und die von Angst und Müdigkeit halbtote Juliane ein und brachten sie nicht ohne Mühe über den vom Regen angeschwollenen Bach nach der Mühle.
Sie waren vom Müller und von seiner Frau nicht gekannt, wurden aber gastfrei aufgenommen. Eduards erste Sorge war trockne Wäsche und Kleider für Julianen zu verschaffen. Eine neue Verlegenheit entstand. Sie muÃten Julianens Geschlecht der Müllerin entdecken, diese war erstaunt und getraute sich nicht, ihnen zu glauben. Nach vielen Bitten und Beteurungen lieà sie sich endlich bewegen, Wäsche und Kleider für Julianen herzugeben, und ihr bei der Umkleidung hülfreich zu sein, denn die Arme war so erschöpft, daà sie kaum zu stehen vermochte. Während sie umgekleidet und zu Bette gebracht ward, war in der daranstoÃenden Stube ein Kaminfeuer gemacht worden; Eduard und Florentin waren dabei beschäftigt, ihre Kleider zu trocknen. Die Müllerin trat aus der Kammer, und berichtete ihnen, die Jungfer wäre eingeschlafen! Sie sah die jungen Leute mit miÃtrauenden neugierigen Blicken an. Sie konnte sich das Verhältnis auf keine rechtliche Weise erklären, in dem diese junge schöne Person, von deren Geschlecht sie nun völlig überzeugt war, mit den beiden Männern stehen müsse. Sie hatte allerlei Vermutungen, schmiedete sich irgendeinen Zusammenhang, den sie ihnen in nicht gar feinen Wendungen deutlich zu verstehen gab. Zuletzt sagte sie etwas ängstlich: sie habe zwar ihre Hülfe nicht versagen dürfen, aber weder
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