Feindesland by Uschmann Oliver

Feindesland by Uschmann Oliver

Autor:Uschmann, Oliver [Uschmann, Oliver]
Format: epub, mobi
Tags: Roman
ISBN: 3502110492
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-05-23T22:00:00+00:00


»Hey«, sagt Susanne, »was ist das denn für eine Aufzählung?«

»Das muss alles gleichmäßig verteilt werden«, sagt Herr Frohn, »es geht um ...«

»Gerechtigkeit«, beendet Hartmut den Satz, »ja, ja, wir kümmern uns drum.« Er schiebt Herrn Frohn sanft aus der Tür. »Ich versichere Ihnen, wenn Sie zum Jahresbeginn wiederkommen, können Sie auf Ihrer Liste da viele wunderbar gleichmäßig verteilte Häkchen machen. Bitte lassen Sie uns bis dahin einfach umweltgerecht und materialgeprüft dieses Gelände restaurieren, okay?«

Herr Frohn lässt sich schieben, vielleicht weil Hartmut kleiner ist als er und eine allzu starke Gegenwehr seinerseits als unterdrückerische Aktion gedeutet werden könnte. Es ist manchmal kompliziert, wie diese Leute denken.

»Aber die Leute hier arbeiten alle zum Mindestlohn, richtig?«, sagt Herr Frohn auf dem Weg nach draußen, und Hartmut nickt: »Aber selbstverständlich. Mit staatlichen Zuschüssen durch Ihr Ministerium und das Büro für Grüne Gründung. Fragen Sie Frau Mützenmacher, es ist alles geregelt. Ich halte die Arbeiter zum Mittag von der Currywurst ab, dafür bekomme ich volle Zuschüsse zum Mindestlohn.«

»Gut, gut.«

In der künftigen Zentrale, in der Bodo gerade testweise das erste Telefon an eine der Buchsen in der Wandleiste anschließt, löst sich Herr Frohn von Hartmut und erklärt, dass er alleine hinausfindet. Kurz bevor er den Raum verlässt, dreht er sich noch einmal zu Hartmut: »Im Januar mache ich die Häkchen voll?«

»Im Januar machen Sie die Häkchen voll!«

Herr Frohn nickt, tippt sich an eine imaginäre Hutkrempe und verlässt unsere Firma.

Erleichtert atmet Hartmut aus. Dann klingelt das erst vor zwei Sekunden von Bodo nur zu Testzwecken angeschlossene Telefon. Wir erschrecken alle vier wie Katzen bei Gewitter. Dann umkreisen wir das unheimliche Gerät. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann nimmt Hartmut ab. Er stellt auf laut. »Ja, hallo?«

»Hartmut? Hier ist deine Mutter!«

Hartmuts Augen vergrößern sich um 20 %, seine Koteletten sinken synchron dazu einen Hauch nach unten. »Woher hast du diese Nummer? Diese Nummer gibt es noch gar nicht.«

»Ich bin deine Mutter.«

»Natürlich ...«

»Da bin ich ja froh, dass mein Kind noch lebt!« »Mama ...«

»Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Als du mit deinem Freund bei uns die Regalhalter aus der Wohnzimmerwand gepörkelt hast? Beim Umzug?«

»Ja, Mama.«

»Weißt du überhaupt noch, wo Wesel liegt?«

»Ich war voll beschäftigt, Mama. Ich bin beschäftigt. Ich habe ein Haus restauriert, ein Haus verkauft, eine Ausstellungsreihe veranstaltet. Gerade gründe ich ein Taxiunternehmen in Berlin.«

»Ich weiß, dass du viel zu tun hast«, sagt Hartmuts Mutter, und ich frage mich, ob sie verstanden hat, was ihr Sohn gerade gesagt hat. Hartmut erwidert nichts. Seine Mutter sagt: »Die Familie fragt sich, ob sie dich jemals zu Gesicht bekommt. Es geht auf Weihnachten zu. Die Adventszeit ist angebrochen.«

»Du fragst dich, ob du mich jemals noch zu Gesicht bekommst, Mama.«

Kurze Stille im Hörer. Hartmuts Mutter zieht an einer Zigarette. Dann sagt sie: »Wir leben auch nicht ewig.« »Ach, Mama ...«



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