Feeling and Value, Willing and Action by Marta Ubiali & Maren Wehrle
Autor:Marta Ubiali & Maren Wehrle
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Springer International Publishing, Cham
2.2 Meinong: Werte als mögliche Werthaltungen, Fühlen und Begehren
Alexius von Meinong entwickelte in seinen ersten Schriften über die Werte Brentanos dispositionalistische Auffassung weiter, bevor er später eine Wendung zum Wertrealismus vollzog. Seine erste Werttheorie wurde 1894 in Psychologisch-ethische Untersuchungen zur Werth-Theorie veröffentlicht und hatte einen provisorischen Charakter, denn Christian von Ehrenfels referierte in seinem Werk so stark auf Meinong, dass dieser sich gezwungen fühlte, seine noch unabgeschlossenen Arbeiten teilweise öffentlich zu machen.
In Bezug auf Brentanos Thesen werden einige Modifikationen vorgenommen. So unterteilt Meinong – und dies wird von allen Schülern Brentanos unterstützt – die dritte Klasse der Gemütsbewegungen in zwei Gruppen: die Gefühle und die Begehrungen. Diese Modifikation wird vorgenommen, ohne die These zu bestreiten, dass sowohl Gefühle als auch Begehrungen auf Kognitionen gründen. Eine weitere Modifikation auf der terminologischen Ebene besteht darin, dass Meinong aus der Wertökonomie Mengers den Begriff des Wertes übernimmt, so dass hier nicht mehr die Rede ist von dem, was gut ist oder was das Liebwerte sei (Schumann 2001).
Der Bezug zwischen Werten und angemessenen affektiven Phänomenen bildet aber genauso wie bei Brentano den Kern von Meinongs Ansicht. Ausgangspunkt ist die Abgrenzung vom Wertsubjektivismus und Wertobjektivismus. Im heutigen Wortschatz: er lehnt sowohl den Emotivismus als auch den Realismus ab. Der Wertsubjektivismus behauptet, dass der Wert eines Gegenstandes dasselbe wie das „Werthgehalten-werden“ ist (Meinong 1968a, 24). Diese Position ist laut Meinong aus zwei Gründen unhaltbar. Erstens kann sie nicht erklären, wie einem Gegenstand ein Wert zugeschrieben werden kann, ohne dass er einen Wert besitzt, und zweitens kann sie nicht erklären, wie etwas für wertlos gehalten werden kann, das in der Tat einen Wert hat. Aufgrund dieser Möglichkeiten der Täuschung und des Irrtums können Werte nicht als Wertschätzung erklärt werden. Gegen den Wertobjektivismus argumentiert Meinong, dass es nicht möglich sei, Werte als Eigenschaften zu verstehen, die unabhängig von den Menschen, die sie fühlen, und den Gegenständen, an denen sie gegeben sind, auftreten. Dieser Kritikpunkt deutet schon auf Meinongs relationale Auffassung der Werte hin.
Nach der Widerlegung beider Positionen entwickelt Meinong seine eigene These der doppelten Relativität der Werte: Sie hängen vom fühlenden Subjekt und von dem Gegenstand ab, an dem sie uns gegeben sind. Werte sind – so Meinongs These – nicht mit tatsächlichen, sondern mit möglichen Werthaltungen oder Wertgefühlen verbunden: [N]icht an die actuelle Werthhaltung ist der Werth gebunden, sondern an die mögliche Werthhaltung, und auch für diese sind noch günstige Umstände, näher ausreichende Orientiertheit, sowie normaler Geistes- und Gemüthszustand in Anschlag zu bringen. Der Werth besteht sonach nicht im Werthgehalten-werden, sondern im Werthgehalten-werden-können unter Voraussetzung der erforderlichen günstigen Umstände. Ein Gegenstand hat Werth, sofern er die Fähigkeit hat, für den ausreichend Orientierten, falls dieser normal veranlagt ist, die thatsächliche Grundlage für ein Werthgefühl abzugeben. (Ebd., 25)
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