Fatales Schweigen (German Edition) by Frieda Lamberti

Autor:Frieda Lamberti [Lamberti, Frieda]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-03T16:00:00+00:00

Kapitel 18 (Julia)

»Du würdest mich tatsächlich zum Bahnhof fahren? Ich könnte mir auch ein Taxi rufen, Conny.« Aber sie besteht darauf, mich zu bringen. Was für eine nette Person sie doch ist. Wie konnte ich mich nur so in ihr täuschen? Vielleicht, weil es mit meiner Menschenkenntnis nicht mehr so weit her ist? Wie oft habe ich mich in jüngster Vergangenheit in Menschen getäuscht. Ich habe mich auf sie eingelassen, ihnen blind vertraut und wurde maßlos enttäuscht. Gerade auf die, die mir am Nächsten standen, habe ich gebaut, und was hat es mir gebracht? Vielleicht hat Conny recht mit dem was sie sagt, und es stimmt, dass man mit Fremden besser, leichter und letztendlich ehrlicher sprechen kann, als mit Leuten, die einem nahe stehen. Vielleicht aber auch nicht, und wir beide haben gestern den Grundstein für eine feste Freundschaft gelegt. Eine Frauenfreundschaft, in der man sich schonungslos die Wahrheit sagen kann, ohne Angst haben zu müssen, das Gesicht zu verlieren. Ohne befürchten zu müssen, dem Anderen auf den Schlips zu treten. Sich die reine Wahrheit anvertrauen zu können, ist einfach wunderbar. Gegenseitig aufrichtig zu sein, ohne etwas zu beschönigen oder etwas wegzulassen, hat etwas ungemein Befreiendes. Einst hatte ich solche Menschen an meiner Seite. Meine Schwester Greta war eine dieser so wertvollen Lebensbegleiter. Besser sollte ich sagen: Lebensabschnittsbegleiter. Früher konnten wir über alles reden, und taten es auch. Schließlich waren wir Verbündete gegen unsere Eltern und den Rest der Welt. Ich konnte mir stets sicher sein, dass sie niemals ausplaudern würde, was ich ihr im Stillen anvertraut hatte. Und dann kam Clemens. Uns beide verband blindes Urvertrauen. Wann und warum haben wir es verloren?

»Danke für alles, Conny.«

»Und wenn du glaubst, du kannst es nicht schaffen, dann …«

»Dann stelle ich mir vor, ich gehe barfuß über eine grüne Wiese …«

»Nein, dann rufst du mich an, oder du kommst mich einfach wieder besuchen.«

Ich nutze die Bahnfahrt, um mir Gedanken über meine nächsten Schritte zu machen. Nach meiner Ankunft am Hamburger Hauptbahnhof werde ich mich mit einem Taxi in die Firma fahren lassen. Dort werde ich zunächst alle Mitarbeiter begrüßen und dann mit Frau Gruber die Einladungen an die VIPs versenden.

»Und dann?«, fragt meine innere Stimme.

»Du hast jetzt mal Pause. Ab heute übernimmt wieder mein Verstand«, antworte ich ihr und sie schweigt endlich still.

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