Fair Play by Tove Jansson

Fair Play by Tove Jansson

Autor:Tove Jansson [Jansson, Tove]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Freies Geistesleben
veröffentlicht: 2016-01-11T00:00:00+00:00


IN DER GROSSEN STADT PHOENIX

Nach einer langen Busreise durch Arizona kamen Jonna und Mari spätabends in der großen Stadt Phoenix an und stiegen im erstbesten Hotel in der Nähe der Busstation ab. Das Hotel hieß Majestic, ein wuchtiges Gebäude aus den Anfängen des Jahrhunderts, geprägt von einer gewissen schäbigen Eleganz, einer Erinnerung an vergangene Größe. Die Rezeption mit langen Empfangstheken aus Mahagoni unter staubigen Palmengewächsen, die breite Treppe hinauf in die Dunkelheit der Obergeschosse, die Reihe aus steifen Samtsofas – alles war zu groß geraten, bis auf den Portier, der unter seinem weißen Haarkranz sehr klein war. Er reichte ihnen den Zimmerschlüssel und das Formular, das ausgefüllt werden musste, und sagte: »Der Aufzug schließt in zwanzig Minuten.«

Der Liftführer saß schlafend im Aufzug, er war noch älter als der Portier. Er drückte auf den Knopf zum dritten Stock und setzte sich dann wieder auf seinen Samtstuhl. Der Aufzug war ein großer klappernder Käfig aus Bronzeornamenten und fuhr unerhört langsam.

Jonna und Mari betraten ihr Zimmer, eine Raum von statischer Ödnis mit viel zu vielen Möbeln, sie gingen zu Bett, ohne auszupacken. Aber sie konnten nicht schlafen; die Busreise fuhr immer wieder aufs Neue an ihnen vorbei, mit ihren wechselnden Landschaften aus Wüstenland und verschneiten Bergen, mit Städten ohne Namen und weißen Salzseen und den kurzen Aufenthalten an diesem oder jenem Ort, zu dem man nie mehr wiederkehrt und über den man nichts weiß, und die Fahrt geht wieder weiter und lässt alles hinter sich, Stunde um Stunde, ein langer, langer Tag mit dem silberblauen Greyhoundbus.

»Schläfst du?«, fragte Jonna.

»Nein.«

»Hier können wir den Film entwickeln lassen. Inzwischen hab ich einen Monat lang blindlings drauflosgefilmt, ohne eine Ahnung zu haben, wie es aussieht.«

»Meinst du wirklich, dass es so gut war, durchs Busfenster zu filmen? Ich glaube, das ging zu schnell.«

»Ja, ja«, sagte Jonna. Und nach einer Weile: »Aber es war so schön.«

Sie brachten die Filme zum Entwickeln, das würde ein paar Tage dauern.

»Warum ist die Stadt so leer?«, fragte Mari.

»Leer?«, wiederholte der Mann hinter der Rezeptionstheke, »daran habe ich noch nicht gedacht. Aber wahrscheinlich ist es so, dass die meisten außerhalb der Stadt wohnen und zur Arbeit herfahren und dann wieder nach Hause.«

Als Jonna und Mari wieder in ihr Zimmer kamen, merkten sie sofort eine Veränderung, eine kleine, aber durchgreifende Veränderung – das war ihre erste Begegnung mit dem unsichtbaren Zimmermädchen Verity. Veritys Anwesenheit im Hotelzimmer war sehr stark, sie war überall spürbar, sie hatte das Reiseleben von Jonna und Mari auf ihre eigene Art umgeordnet. Diese Verity war offenbar eine Perfektionistin und gleichzeitig ausgeprägt individualistisch. Symmetrisch, aber auch irgendwie launig hatte sie Jonnas und Maris Sachen umgeordnet, ihre Reisesouvenirs ausgepackt und auf der Kommode zu einer Karawane arrangiert, die nicht ohne Ironie war. Die Hausschuhe standen Schnauze an Schnauze und die Nachthemden waren so ausgebreitet, dass die Ärmel einander an der Hand hielten. Auf den Kopfkissen lagen Bücher, die sie gefunden hatte und die ihr gefallen – oder vielleicht missfallen – hatten, mit den Steinen, die sie aus Death Valley mitgebracht hatten, als Lesezeichen. Diese hässlichen Steine mussten sie sehr amüsiert haben.



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