Facing the Moon (German Edition) by Elke Lehmann

Facing the Moon (German Edition) by Elke Lehmann

Autor:Elke Lehmann [Lehmann, Elke]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-29T04:00:00+00:00


Eine kleine Ewigkeit später trieb es mich trotz meiner Erschöpfung durch den Wald zum Haus der Hunts. Ich war die ganze Zeit rastlos getrieben durch die Wildnis gejagt, ohne die unbändige Freude, die das normalerweise in mir auslöste. Irgendwann war ich total erledigt. Doch ich musste mich einfach vergewissern, dass sie in Sicherheit war.

Ungefähr auf der Höhe des Gewerbeparks kehrte ich auf den Waldweg zurück, sehr zum Unbehagen der Wachhunde. Sie hassten mein gelegentliches Auftauchen. Aber sie fürchteten sich auch zu sehr vor mir, um mich mit lautem Gebell und Knurren zu verscheuchen. Sie spürten, dass ich anders … dass ich mehr war als nur ein außergewöhnlich großer Wolf.

Es lag mir nichts daran, sie unnötig zu verstören. Ich lief einfach weiter, ohne ihnen mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. Sie folgten mir bis in die letzte Ecke des Geländes, dann standen sie am Zaun, bis aufs äußerste angespannt. Sie mucksten nicht einmal, als ich längst den Wall erreicht hatte. Zwei, drei Sprünge weiter waren die Hunde vergessen. Ich hatte einen Duft in der Nase. Jetzt, in Fenrisgestalt noch einmal um ein vielfaches stärker, konnte mein Geruchssinn die feinsten Noten unterscheiden. Genau an dieser Stelle hatte Elia vor wenigen Augenblicken den Waldweg verlassen und war am Fuß des Walles entlanggegangen. Ich wusste, wo ich sie finden würde. Mit ein paar Sätzen erklomm ich den Wall und trabte auf seinem Kamm entlang. Auf der gleichen Bank, auf der sie gelegen und Musik gehört hatte, saß sie mit angezogenen, fest umschlungenen Beinen. Kein Lux Aeterna! Kein leises Mitsummen! Stattdessen hörte ich ein ganz feines, für normale menschliche Ohren fast nicht wahrnehmbares Wimmern. Sie merkte wahrscheinlich nicht einmal, dass sie ihren Kummer auf diese Art zum Ausdruck brachte. Aber auch ihre Anwesenheit hier, mitten in der Nacht, wohl wissend um die Gefahr, legte Zeugnis darüber ab, wie schlimm sie verletzt war. Alles andere war ihr egal, war nebensächlich. Was ihr der Gewaltverbrecher antun würde, wenn er sie erwischte, konnte ihr nicht mehr Schmerz zufügen, als das, was ich ihr ihres Wissens nach bereits angetan hatte. Aber wie sollte ich sie vom Gegenteil überzeugen? Wie konnte ich sie dazu bringen mir zuzuhören? Wenn ich sie zu sehr bedrängte, sie gegen ihren Willen festhielt, könnte sie in Panik geraten. Ich setzte mich, schaute zu ihr herunter und überlegte. Und wenn ich ihr zuhörte, statt darauf zu warten, dass sie mich anhörte? Vielleicht half es ihr zu reden … ihren Schmerz zu teilen … mit jemandem, dem sie bereits vertraute!

Ich dachte nicht länger darüber nach. Um sie nicht zu sehr zu erschrecken, lief ich ein Stück über den Kamm des Walles zurück und stieg dann auf den gut gepflegten Weg hinunter. Langsam näherte ich mich ihr, setzte mich mit einigem Abstand auf die Hinterbeine und schaute sie an. Sie hatte mich nicht gehört. Ihr unbewusstes Wimmern war in ein verzweifeltes, tiefes Schluchzen übergegangen. Ihr ganzer Körper wurde davon geschüttelt, bis sie ihre Umklammerung nicht mehr halten konnte und sich nach vorne beugen musste. Statt der Beine umfasste sie nun ihren Oberkörper.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.