Europas Einigung by Loth Wilfried

Europas Einigung by Loth Wilfried

Autor:Loth, Wilfried
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
veröffentlicht: 2014-05-22T04:00:00+00:00


Das Binnenmarkt-Projekt

Noch bevor die regelmäßige Anwendung des Mehrheitsprinzips im Ministerrat die Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse tatsächlich wesentlich beschleunigte, nahm Delors weitere Maßnahmen in Angriff, die den Konsens hinsichtlich des Binnenmarkt-Projekts stärken und damit letztlich auch die Kohäsion der Gemeinschaft befördern sollten. Dazu gehörten, wie er am 18. Februar 1987 vor dem Straßburger Parlament ausführte, eine substantielle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, eine bessere finanzielle Ausstattung der Fonds und der neuen Gemeinschaftspolitiken und eine abermalige Ausweitung des Gemeinschaftsbudgets, verbunden mit einer Stärkung der Haushaltsdisziplin. Dieses Programm ging auf Überlegungen zurück, die seit Mitte 1986 in der Kommission entwickelt worden waren, und nahm Anregungen auf, die Delors bei einer erneuten Sondierung bei allen Staats- und Regierungschefs Anfang 1987 sammeln konnte. Es wurde schließlich unter dem suggestiven Titel »Die ›Einheitliche Akte‹ erfolgreich gestalten« präsentiert, in der Öffentlichkeit aber bald nur noch das »Delors-Paket« genannt.

Seine Verabschiedung gelang allerdings nicht so zügig, wie Delors erhofft hatte. Der Allgemeine Rat, der Rat der Finanzminister und der Rat der Landwirtschaftsminister stimmten den großen Linien des Vorhabens zu. Als aber bei der Zusammenkunft des Europäischen Rates am 4. und 5. Dezember 1987 konkrete Beschlüsse gefasst werden sollten, verlor sich die Debatte in den unterschiedlichen Detailaspekten des Programms. Margaret Thatcher wollte einmal mehr Entscheidungen zum Abbau des Landwirtschaftsbudgets herbeiführen, während sie die übrigen Elemente des Programms ablehnte. Es bedurfte der Energie und des Verhandlungsgeschicks Kohls, um im Zuge der erneuten deutschen Präsidentschaft bei der nächsten Ratstagung am 11. und 12. Februar 1988 in Brüssel eine Entscheidung herbeizuführen, die nur wenig hinter den Forderungen der Kommission zurückblieb.15

Um die Überproduktion und die exorbitanten Kosten der Landwirtschaft einzudämmen, wurde in erster Linie beschlossen, dass die Ausgaben in den nächsten Jahren nicht mehr als um 80 Prozent des Wachstums des Bruttosozialprodukts steigen durften. Damit wurden der jährlichen Preisanpassung nach oben Grenzen gesetzt und darüber hinaus Anreize geschaffen, in stärkerem Maße marktkonform zu produzieren. Die mengenmäßige Begrenzung der Garantiepreise wurde auf Getreide und Pflanzenöle ausgedehnt. Gleichzeitig wurden Flächenstilllegungen im Umfang von zehn bis fünfzehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche gefördert und kleineren landwirtschaftlichen Betrieben direkte Einkommensbeihilfen gewährt. Schließlich wurde eine Währungsreserve angelegt, um bei den Agrarverkäufen auf dem Weltmarkt von den Schwankungen des Dollars unabhängig zu werden. Die Gemeinschaft unternahm damit zugleich erste Anstrengungen, um sich auf die anstehende Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen einlassen zu können.

Hinsichtlich der Strukturfonds stimmte der Rat in Brüssel nicht weniger als einer Verdoppelung seiner Mittel zu – zwar nicht schon zum Jahr 1993, wie die Kommission gefordert hatte, aber immerhin zum Jahr 1994. Dabei wurden die Ziele der Strukturfonds präzisiert: Hilfe für Gebiete mit Entwicklungsrückstand, Unterstützung des Strukturwandels von Industrieregionen im Niedergang, Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit, Förderung der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen, Modernisierung landwirtschaftlicher Produktion und die Förderung ländlicher Entwicklung. Die Förderung aus den Strukturfonds wurde davon abhängig gemacht, ob gleichzeitig gewisse Anteile durch nationale Fördermittel abgedeckt wurden. Zu den Fördermitteln kamen ferner Kredite der Europäischen Investitionsbank, die bei den einzelnen Projekten in enger Abstimmung mit der Kommission agierte. Insgesamt sollten diese Maßnahmen sicherstellen, dass die Beseitigung der Wettbewerbshemmnisse nicht zu einer weiteren



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