Eulenblues by Thomas Hesse

Autor:Thomas Hesse [Hesse, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-30T05:00:00+00:00

NEUN

Karin Krafft nahm an der Tankstelle die beiden Tageszeitungen der Region mit, blätterte die Lokalseiten auf, wollte, während sie noch an der Zapfsäule stand, wissen, wie die Presse auf die gestrige Konferenz reagiert hatte. Die Resonanz war unterschiedlich, das eine Blatt legte den Schwerpunkt auf die Aufklärung des alten Falles, das andere berichtete umfassender, jedoch sachlich und ohne die befürchtete Gier nach Sensationen über das emsige Bestreben des Kriminalkommissariats 1, auch den anderen Opfern zu einer Identität verhelfen zu wollen. Karin war zufrieden, keine Panikmache, keine künstlich geschürte Hysterie, alles lief wie geplant.

Auf ihrem Schreibtisch in der Dienststelle lag eine Liste mit Adressen altehrwürdiger Erziehungsanstalten, die in den Siebzigern bereits existierten und deren Entfernungen Wochenendaufenthalte in niederrheinischen Elternhäusern zuließen. Zunächst aber stand die morgendliche Besprechung an.

Von Aha wirkte schweigsam und zurückgezogen. Er habe Ronald Corthaus die Nachricht überbracht, der sei nicht weiter überrascht gewesen. »Wir haben noch eine Zeit lang über seine Erinnerungen geredet, da kam nicht viel, außer dass der Onkel sich schuldig fühlte und Angst zu haben schien. Ja, und er will der Tante zu einem ordentlichen Begräbnis verhelfen.«

Karin war verwundert. »Der Flaschensammler? Wie will der das finanzieren, das kriegt selbst ein Mensch mit mittlerem Verdienst nicht mal eben vom Gehaltskonto gestemmt. Weiß er, dass da schnell mehrere tausend Euro zusammenkommen?«

Gero von Aha zuckte mit den Schultern, er habe keine Ahnung. »Aber ich bleibe an ihm dran, irgendwas stimmt da nicht.«

Burmeester hatte beim Techniker und bei Niels Meier angefragt, doch der E-Mail-Schreiber hatte sich noch nicht wieder gemeldet. »Wundert mich auch nicht weiter, vielleicht meldet er sich in der kommenden Nacht, denn er wird die Presseberichte studieren, und meist reagiert er darauf.«

Karin griff in ihre Schreibtischschublade und warf Burmeester nach einem kurzen Blickkontakt eine zusammengeknüllte Plastiktüte mit klapperndem Inhalt zu. »Ach, hätte ich fast vergessen. Unsere Frau Professor hat etwas auf dem Mittelstreifen des Herzogenrings für dich gefunden. Mit besten Grüßen von Hermann.«

Burmeester spähte nicht einmal hinein, er ahnte, was sich in der Tüte befand. Die Kollegen warteten auf eine Erklärung, Karin übernahm den Part.

»Nikolas Burmeester entsorgt seit Tagen erfolglos eine Reihe von ausgemusterten Knochen. Merkwürdigerweise gelangen sie mit mehr oder weniger Aufsehen regelmäßig zurück auf meinen Schreibtisch. Mann, ich habe langsam die Nase voll von diesem Spielchen. Nimm sie gefälligst mit und entsorge die Dinger ordentlich.«

Jerry kicherte wie ein Teenager und klopfte sich auf die Oberschenkel. »Und immer schön darauf achten, dass es keine Tatzeugen gibt.«

Tom machte den coolen Cop. »Hey, und wenn du nicht willst, dass diese Lady hier dich ebenfalls entbeint und in Einzelteile zerlegt, dann begrab die Tüte tief, sehr tief, dort, wo niemals jemand buddeln würde.«

Burmeester warf die Tüte kommentarlos auf seinen Schreibtisch, und mit beinernem Geklapper stoppte sie an der Tastatur. Der Inhalt verfolgte ihn. Selbst wenn er die Knochen in eine Restmülltonne werfen würde, käme am nächsten Morgen ein Müllwerker damit zur Leitstelle und würde einen Mord melden. Vielleicht sollte er sie in den Rhein werfen. Von der Brücke aus mitten in den Fluss, genau das würde er machen.

Die Aufgabe des Tages war, die Internate abzuklappern.

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