Es wartet eine Welt - Lebensweisheiten by Rainer Maria

Es wartet eine Welt - Lebensweisheiten by Rainer Maria

Autor:Rainer Maria [Maria, Rainer]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-04-27T22:00:00+00:00


Oh sage, Dichter, was du tust?

–Ich rühme.

Aber das Tödliche und Ungetüme,

wie hältst du’s aus, wie nimmst du’s hin?

–Ich rühme.

Aber das Namenlose, Anonyme,

Wie rufst du’s, Dichter, dennoch an?

–Ich rühme.

Woher dein Recht, in jeglichem Kostüme,

in jeder Maske wahr zu sein?

–Ich rühme.

Und daß das Stille und das Ungestüme

wie Stern und Sturm dich kennen?

: – weil ich rühme.

SW 2. 249

Man tut gut, gewisse Dinge, die sich nicht mehr ändern werden, einfach festzustellen, ohne die Tatsachen zu bedauern oder auch nur zu beurteilen.

SW 6. 891

Es ist gut, es laut zu sagen: »Es ist nichts geschehen.« Noch einmal: »Es ist nichts geschehen.« Hilft es?

SW 6. 747

… da sind jene Dinge, die sich eine Freude daraus machen, einem in gewissen Abständen immer wieder in die Hände zu kommen, so lange, bis sie sich im entscheidenden Augenblick verstecken und von irgendwo zusehen, daß man sie, die man schon wegwünschte, sucht und nötig hat. Da sie alle die merkwürdigen Formationen des Abbruchs, die aus dem Zusammensein unmöglicher Gegenstände entsprungenen Bastarde, mit einem Wort: das Elend, die Hölle;

BR 07–14. 7

Es gibt ein Wesen, das vollkommen unschädlich ist, wenn es dir in die Augen kommt, du merkst es kaum und hast es gleich wieder vergessen. Sobald es dir aber unsichtbar auf irgendeine Weise ins Gehör gerät, so entwickelt es sich dort, es kriecht gleichsam aus, und man hat Fälle gesehen, wo es bis ins Gehirn vordrang und in diesem Organ verheerend gedieh, ähnlich den Pneumokokken des Hundes, die durch die Nase eindringen.

Dieses Wesen ist der Nachbar.

Nun, ich habe, seit ich so vereinzelt herumkomme, unzählige Nachbarn gehabt; obere und untere, rechte und linke, manchmal alle vier Arten zugleich. Ich könnte einfach die Geschichte meiner Nachbaren schreiben; das wäre ein Lebenswerk. Es wäre freilich mehr die Geschichte der Krankheitserscheinungen, die sie in mir erzeugt haben …

SW 6. 863 f.

Ich habe Nachbaren gehabt, die gerade haßten, und Nachbaren, die in eine heftige Liebe verwickelt waren; oder ich erlebte es, daß bei ihnen eines in das andere umsprang mitten in der Nacht, und dann war natürlich an Schlafen nicht zu denken. Da konnte man überhaupt beobachten, daß der Schlaf durchaus nicht so häufig ist, wie man meint.

SW 6. 864

Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesich- ter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen? Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen. Aber es kommt auch vor, daß ihre Hunde damit ausgehen. Weshalb auch nicht? Gesicht ist Gesicht.

SW 6. 711

Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab. Es scheint ihnen zuerst, sie hätten für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte.



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