Erwin, Enten &Entsetzen by Krüger Thomas

Autor:Krüger, Thomas [Krüger, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2015-10-15T16:00:00+00:00

Festland – auf schwankendem Boden

Die Polizei kam erst zwei Stunden später. Benno Bohm und drei Kollegen aus Strulow. Einer von ihnen, ein hypertonischer Frühvierziger, leitete den Einsatz. Gunnar Pahlke war es nicht. Erwin hatte den Eindruck, dass sie den Einbruch wie ein normales Delikt angingen. Das wunderte ihn. Sie wussten zunächst zwar nichts von dem Brief, aber die Morde, die Tatsache, dass Salmandor auf dem Hof gewohnt hatte, Theresas Rückkehr und die noch immer verschwundene Lina hätten ein Vorgehen mit sehr viel mehr Professionalität und Ernst verlangt. Erwin war verwirrt. Die Beamten aus Strulow machten Fotos in den durchwühlten Zimmern. Bohm nahm ein Protokoll auf. Das Tempo der Ermittlungen zeugte von Lustlosigkeit. Der rotgesichtige Einsatzleiter bekam ständig Telefonanrufe und unterhielt sich dann seltsam verstimmt mit einem unbekannten, unsichtbaren Vorgesetzten. Erwin und Hilde wechselten Blicke. Schließlich wagte sich Erwin vor. Sie durften den Brief nicht verschweigen. Auch nicht ihre Vermutungen über die verschwundenen Bilder, die Gemälde, die im Haus gehangen hatten. Als sie in Theresas Zimmer standen und Hilde Benno Bohm das Erpresserschreiben zeigte, stutzte dieser. Er holte den leitenden Kollegen aus Strulow herbei. Mittlerweile wussten Hilde und Erwin, dass er Polizeikommissar war und Martins hieß. Martins und Bohm studierten das Blatt. Wieder wurde telefoniert. Schließlich stellte Bohm, mit einem Ausdruck von Verunsicherung in den Augen, die Frage: »Schlechter Scherz?«

Erwin hätte am liebsten rotgesehen. Doch er bremste sich.

»Lina! Sie lebt! Und … und die hier wissen, wo sie is!«, rief er.

»Nun mal langsam«, raunte Polizeikommissar Martins. »Weiße Blume? Blauer Turm? Klingt alles ziemlich wirr, oder? Und dieses Buchstaben-Geschnipsel …?«

Erwin brauste auf:

»Das is ’n Bild. ’n Gemälde. Weiße Blume mit Wurzeln inner Nacht. So heißt das. Die suchen das. Und die denken, ich hab das. Und der Turm is der Leuchtturm …!«

»Wurzeln in der Nacht?« Martins runzelte die Stirn. »Na, ich weiß nich. Bei solchen Blumen war bei uns früher immer Küstennebel im Spiel.«

Jetzt grinste er zu Bohm hinüber. Dessen Mundwinkel zuckten. Hilde richtete sich auf, um der Wut, die sich in ihrem Inneren ausbreitete, Platz zu schaffen.

»Könnte auch’n Trittbrettfahrer gewesen sein«, sagte Bohm.

»Trittbrettfahrer?«

Hildes Dampfdruck stieg: »Hören Sie mal, hier wurde eingebrochen, Herrn Düsediekers Angetraute ist entführt worden, wir bekommen ein Bekennerschreiben, und Sie faseln was von Trittbrettfahrer?«

Das Wort faseln kam nicht gut an. Martins fühlte sich in seiner Autorität verletzt, und die Mimik oberhalb seines Doppelkinns signalisierte ein kräftiges: Ob dies hier ein Kriminalfall ist, entscheide ich!

Arno wollte deeskalieren. Er machte sich hinter Hilde lang und rief:

»Velleicht’n Schnaps erstma!?«

Leider kam das zur Unzeit. Polizeikommissar Martins witterte Bestechung und zeigte nun noch deutlicher, dass er zu Bluthochdruck neigte. Arno hatte außerdem einen zweiten Fehler gemacht. Als Bohm mit seinem Einsatzfahrzeug und den Kollegen an Bord vorfuhr, hatte er hinter dem Haus im Geflügelstall gearbeitet und wollte füttern. Seine Neugier sorgte dafür, dass er flugs neben Hilde und Erwin erschien, um die Polizeiarbeit zu verfolgen. Nun tauchte im Türrahmen hinter ihm Alfred auf. Der Polizeikommissar mit dem roten Kopf blickte in ein Augenpaar, das auf provozierende Weise zu sagen schien: Kümmern Sie sich nicht um mich.

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