Ernst Jünger – Ein Jahrhundertleben by Schwilk Heimo
Autor:Schwilk, Heimo [Schwilk, Heimo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2015-11-08T16:00:00+00:00
DREIZEHNTES KAPITEL
Im Sommer 1929 versucht Hitler ein weiteres Mal, Jünger für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Anknüpfungspunkt ist ein Dissens mit dem Frontsoldaten-Kampfbund »Stahlhelm«, der es Hitler ratsam erscheinen lässt, »Persönlichkeiten des nationalen Lagers« über seine Haltung zu informieren. Übermittler der Botschaft ist sein Sekretär Rudolf Heß. In einem »im Auftrag Herrn Hitlers« formulierten Schreiben, das auf den 2. Juli 19291 datiert ist, erläutert dieser die Weigerung des Parteiführers, sich an einem vom »Stahlhelm« initiierten Volksbegehren zur Änderung der Reichsverfassung zu beteiligen. Eine von ihm am 11. Mai 1929 in Umlauf gebrachte und dem Brief beigefügte »Denkschrift« begründet die Absage damit, dass eine verfassungsrechtliche Aufwertung des Reichspräsidenten, wie sie die Initiatoren des Volksbegehrens vorsehen, die als »marxistisch« und »korrupt« qualifizierte Republik nur unnötig stärken würde. Jeder Versuch, den Verfall der Demokratie »durch Korrekturen am heutigen Zustand« zu überwinden, sei vollkommen sinnlos. Damit weiß sich Hitler in Übereinstimmung mit Jünger, der das »System« von Weimar ebenfalls scharf ablehnt.
Der Heß-Brief vom 2. Juli 1929 enthält auch eine versteckte Drohung an die Adresse von Ernst Niekisch, der die NSDAP und besonders auch Adolf Hitler in seiner Zeitschrift ›Widerstand‹ mehrfach angegriffen hatte. Die Kritik von Heß gilt vor allem Niekischs Haltung gegenüber dem italienischen Faschismus. Für den Nationalbolschewisten, der Deutschlands Zukunft allein in einer Allianz mit Russland sieht, kommt Mussolini als Verbündeter wegen seines » antigermanischen « Imperialismus in Südtirol nicht in Frage. Heß weiß aber genau zwischen Jünger und Niekisch zu unterscheiden, obwohl er darüber unterrichtet ist, dass beide in denselben Zeitschriften publizieren und in denselben Zirkeln verkehren. Nur an Jünger ergeht deshalb die Einladung, vom 1. bis 4. August am Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP als Ehrengast teilzunehmen. Anders als Winifred Wagner, die ebenfalls geladen ist, nimmt Jünger an dem NS-Spektakel, für das 200 000 Anhänger aus dem gesamten Reich mobilisiert werden, nicht teil. Nur wenige Wochen nach der Nachricht scheint sich bei Hitler die apodiktische Ablehnung von Demokratie und Verfassung allerdings verflüchtigt zu haben, als er überraschend bekannt gibt, die NSDAP werde sich an der Propagierung eines Volksbegehrens gegen den Young-Plan, der Deutschland zu weiteren Reparationszahlungen verpflichtet, beteiligen. Hitlers taktischer Instinkt wittert die Chance, das Plebiszit für »eine Propagandawelle zu nutzen, wie sie ähnlich in Deutschland noch nie da war«2.
Am 10. Oktober trifft ein zweiter Brief von Rudolf Heß in Berlin ein. Gegenstand des Schreibens ist die sogenannte Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein. Die Selbsthilfeorganisation überschuldeter Bauern ist von einer Gruppe nationalrevolutionärer Aktivisten so radikalisiert worden, dass aus ihren Reihen heraus Bombenanschläge auf Finanzämter verübt werden. Der Verdacht fällt sogleich auf die Nationalsozialisten, mit denen viele Bauern sympathisieren. Beunruhigt durch Jüngers öffentliche Parteinahme für die jugendlichen Attentäter um den Bauernführer Claus Heim, versucht Heß nun in seinem Brief die Motive von Hitlers Legalitätskurs zu erläutern, der jedem Anschein wehren muss, seine Partei würde mit Revolutionären paktieren. Am 21. September hatte Jünger in einem Zeitungsbeitrag Hitler dafür scharf attackiert.3 Er warf der NSDAP vor, sich in der Öffentlichkeit von den Attentätern zu distanzieren, ja sogar ein Kopfgeld von 10 000 Reichsmark auf diese ausgesetzt zu haben.
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