Engelsschmerz by Anna Martens

Engelsschmerz by Anna Martens

Autor:Anna Martens [Martens, Anna]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-28T05:00:00+00:00


42. Kapitel

15. August 2014

Ihr ganzer Körper zitterte und sie fror erbärmlich. Ihre Kiefer schlugen laut aufeinander. Verdammt. Sie zog sich wie ein Embryo zusammen. Bei der Bewegung schienen ihr Millionen von Dolchen in ihre Schultern zu stechen. Sie riss die Augen auf und bemerkte, dass sie in einer neuen Umgebung war. Schlagartig kam die Erinnerung an den Abend wieder hoch. War das gestern gewesen?

Vorsichtig blickte sie an sich herunter: Sie sah aus wie eine Gefangene in einem Kerker! Eine dicke Metallstange hielt zwei metallene Armschellen fest. An den Beinen sah sie dieselben Gestänge. Deshalb gelang es ihr nicht, sich in irgendeine Richtung zu drehen. Sie wollte sich aufsetzen, aber ihre Beine kamen nicht nach. Hinter sich entdeckte sie eine dicke Eisenkette, die in kurzer Entfernung im Boden in einer Masse grauen Betons zu verschwinden schien. Unglaublich: Er hatte ihr Handschellen angelegt und sie wie einen Köter angeleint.

Es schüttelte sie, Schweiß lief über ihre Stirn und gleichzeitig war ihr eiskalt. Sie drehte sich ein wenig zur Seite, fand irgendwann ihr Gleichgewicht. Dann schob sie sich hoch, und umschlang ihre Knie mit der Stange, die ihre Arme auseinanderhielt. Eine tröstliche Haltung, obwohl erneut schmerzhafte Salven durch ihren Körper fuhren. Sie versuchte, sich selbst Wärme zu spenden. Schloss die Augen, weil das Licht in diesem Raum sie blendete.

Er hätte sich gar nicht so viel Mühe geben müssen, sie hier festzuhalten. Die alte Jule gab es nicht mehr. Sie hatte resigniert. Als er bei ihr gewesen war, hatte es eine Gelegenheit gegeben, sich zu wehren. Er hatte die Seile gelöst und nur locker verbunden, hatte sie sogar alleine gelassen. Sie hätte weglaufen können. Es wenigstens versuchen müssen, es aber nicht getan. Sie wünschte, es hätte an dem gelegen, was er ihr ins Gesicht geschrien hatte. Aber das war es nicht gewesen. Als er zu Tür hereingekommen war, hatte sie es gewusst: Sie hatte aufgegeben. Es war einfacher gewesen, sich fallen zu lassen, dem Schicksal nachzugeben und zu akzeptieren, dass es dem Ende zuging. Sich zu wehren, das hätte Kraft erfordert. Und sie hatte einfach keine Reserven, keine Hoffnung mehr gehabt. Sie hatte sich leer und ohne Antrieb gefühlt, hatte nur noch dagelegen und beschlossen, alles mit sich geschehen zu lassen. Wenn er sie umgebracht hätte, dann wäre es wenigstens vorbei gewesen.

Aber er hatte sie nicht umgebracht. Obwohl sie fest davon ausgegangen war. Stattdessen hatte er sie erneut gefesselt. Die Gefangenschaft hielt ein weiteres trauriges Kapitel für sie bereit. Tränen flossen ihre Wangen herunter, kamen tief aus ihrem Inneren, durchspülten sie, brannten an den Gelenken, als salzige Tropfen unter die Handschellen sickerten.

Sie ließ den Kopf gegen den Schrank sinken und öffnete die Augen. Blinzelnd betrachtete sie das Fenster. Zunächst konnte sie nicht viel erkennen. Dann gewöhnte sie sich an das Licht und musste lächeln, als sie einen Hügel sah, den ein Wald säumte. Darüber blauer Himmel. Ein schöner Tag. Wieder begann sie zu weinen. Dieses Mal vor Freude. Die negativen Stimmen in ihr protestierten. Sie stritten mit der Hoffnung, alles könne doch noch ein gutes Ende nehmen.



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