Ender 03 - Xenozid by Orson Scott Card

Ender 03 - Xenozid by Orson Scott Card

Autor:Orson Scott Card [Card, Orson Scott]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783404241538
Herausgeber: Bastei-Lübbe
veröffentlicht: 2001-05-15T00:00:00+00:00


In einem klaren Traum

vom letzten Jahr

kamen tausend Meilen weit

eine bewölkte Stadt

sich windende Flüsse

Eis auf den Teichen

eine Weile lang blickte ich auf meine Freundin

Han Fei-tzu senkte den Kopf und weinte.

Qing-jao war zuerst erstaunt; dann füllte sich ihr Herz mit Wut. Wie schamlos dieses Programm Vater manipulierte; wie schockierend, daß Vater sich einem seiner offensichtlichen Schachzüge gegenüber als so schwach erwies. Dieses Lied Li Qing-jaos war eins der traurigsten; es galt weit entfernten Liebhabern. Vater mußte die Gedichte Li Qing-jaos gekannt und geliebt haben, oder er hätte sie nicht als Vorfahrin-des-Herzens seines ersten Kindes auserwählt. Und dieses Lied war sicher dasjenige, das er seiner geliebten Keikoa sang, bevor sie ihm weggenommen und zu einer anderen Welt geschickt wurde. In der Tat – in einem klaren Traum betrachtete ich meine Freundin! »Ich lasse mich nicht narren«, sagte Qing-jao kalt. »Ich sehe, daß ich einen Blick auf unsern dunkelsten Feind werfe.«

Das imaginäre Gesicht der Dichterin Li Qing-jao musterte sie kühl. »Dein dunkelster Feind ist derjenige, der dich zwingt, dich wie eine Dienerin bis auf den Boden zu verbeugen und dein halbes Leben mit bedeutungslosen Ritualen zu verschwenden. Dies haben euch Männer und Frauen angetan, deren einziges Begehren es war, euch zu versklaven; sie haben damit einen so großen Erfolg gehabt, daß ihr auf euer Sklavendasein stolz seid.«

»Ich bin eine Sklavin der Götter«, sagte Qing-jao, »und ich finde Freude darin.«

»Eine Sklavin, die Freude darin findet, ist in der Tat eine Sklavin.« Die Erscheinung wandte sich Wang-mu zu, deren Kopf noch immer den Boden berührte.

Erst da begriff Qing-jao, daß sie Wang-mu noch nicht von ihrer Buße befreit hatte. »Steh auf, Wang-mu«, flüsterte sie. Doch Wang-mu hob nicht den Kopf.

»Du, Si Wang-mu«, sagte die Erscheinung. »Sieh mich an.«

Qing-jaos Befehl war Wang-mu nicht gefolgt, doch der Erscheinung gehorchte sie. Als Wang-mu den Blick auf sie richtete, hatte die Erscheinung sich schon wieder verändert: nun hatte sie das Gesicht einer Göttin angenommen, der Königlichen Mutter des Westens, wie ein Künstler sie sich einst vorgestellt hatte, als er das Bild malte, das heute jedes Schulkind in seinem ersten Lesebuch sah.

»Du bist keine Göttin«, sagte Wang-mu.

»Und du bist keine Sklavin«, sagte die Erscheinung. »Doch wir geben vor, das zu sein, was wir sein müssen, um zu überleben.«

»Was weißt du schon vom Überleben?«

»Ich weiß, daß ihr versucht, mich zu töten.«

»Wie können wir etwas töten, das nicht lebt?«

»Weißt du, was Leben ist und was nicht?« Das Gesicht veränderte sich erneut, diesmal zu dem einer Weißen, die Qing-jao noch nie gesehen hatte. »Lebst du, wenn du ohne die Zustimmung dieses Mädchen nicht tun kannst, was du gern möchtest? Und lebt deine Herrin, wenn sie nichts tun kann, ohne zuvor die Zwänge in ihrem Gehirn befriedigt zu haben? Ich habe mehr Freiheit, nach eigenem Willen zu handeln, als irgendeiner von euch. Sagt mir nicht, daß ihr lebt und ich nicht.«

»Wer bist du?« fragte Si Wang-mu. »Wem gehört dieses Gesicht? Bist du Valentine Wiggin? Bist du Demosthenes?«

»Dieses Gesicht trage ich, wenn ich mit meinen Freunden spreche«, sagte die Erscheinung. »Sie nennen mich Jane. Kein Mensch beherrscht mich.



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