Eistod by Theurillat Michael
Autor:Theurillat, Michael [Michael Theurillat]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783843701914
Herausgeber: Ullstein eBooks
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Entscheidend in einem Polizeiapparat waren die Ressourcen.
Die erste Sitzung nach den Weihnachtsferien war wie gewohnt Montagmorgen, Punkt acht. Eschenbach traf sich mit den wichtigsten Führungsleuten seines Bereiches. Die Leiter der vier Spezialabteilungen waren dabei, Franz Haldimann vom Ermittlungsdienst und Röbi Ketterer von der Technischen Analyse. Dazu kamen die Chefs der Innen- und AuÃendienste und ein Stabsoffizier. Zehn Leute, ihn selbst eingeschlossen. Auf der Tagesordnung standen die Top-A-Prioritäten, wie sie es nannten; die groÃen Sorgen der Kriminalpolizei, auf die man sich konzentrierte und für die man bereit war, einen erheblichen Teil der knappen Mittel zu investieren. Normalerweise waren es Projekte, die über die Kantonsgrenze hinausreichten und nicht selten auch einen internationalen Bezug hatten. Die organisierte Kriminalität, die seit geraumer Zeit von den ehemaligen Ostblockstaaten dominiert wurde, Terrorismus und in zunehmendem MaÃe Internetkriminalität. Das waren die Standardthemen. Es gab kurze Berichte aus den Bereichen, Gipfeli, Kaffee und ein knapp gehaltenes Protokoll; nie dauerte die Sitzung länger als fünfzig Minuten.
Dass an diesem Montag eine Wasserleiche, die man beim Letten aus der Limmat gefischt hatte, auch auf der Liste stand, irritierte die meisten. Der Tote stand in keinem Zusammenhang mit einem der Top-Themen: Er war kein international gesuchter Terrorist, hatte keinen Bezug zur Mafia oder anderen einschlägig bekannten Organisationen. Man hatte die Datenbanken gründlich durchforstet. Im Gegenteil: Das Team Polizisten, das sich mit dem Fall Letten beschäftigt hatte, war einhellig der Meinung, dass es sich beim Toten um einen Nobody handelte, einen armen Hund, der einen Schwächeanfall erlitten, ausgerutscht und in die Limmat gefallen war. Ertrunken und erfroren. Möglicherweise unter Drogeneinfluss, hatte man erwogen â vielleicht eine Lebensmittelvergiftung. So jedenfalls hatte man die Rückstände von Fischgift gedeutet, die man laut Bericht von Salvisberg gefunden hatte. »Viele dieser Leute ernähren sich von Abfällen. Die Hinterhöfe der Restaurants und Hotels sind voll davon â¦Â« war im Schlussrapport zu lesen. Eine traurige Logik â und doch wusste jeder, dass sie stimmte.
Eschenbachs Leuten stand die Verwunderung ins Gesicht geschrieben, als er auf die Sache zu sprechen kam: »Wir rollen den Fall noch mal auf, Herrschaften!«, sagte er bestimmt. »Und dabei werden wir jeden einzelnen Stein umdrehen.«
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen.
»Von mir aus«, seufzte Röbi Ketterer, und Haldimann, der sich demonstrativ eine Notiz gemacht hatte, knurrte: »Wir haben ja sonst nichts zu tun.«
»Ich weië, sagte der Kommissar bedächtig. Er nahm sich einen Gipfeli, biss hinein und kaute: »Wir machenâs trotzdem, Leute. Sorry.«
Wieder herrschte Stille.
Eschenbach wartete ab. Er blickte in die Runde. Aber keiner zeigte ihm einen Vogel oder fragte, ob er jetzt völlig »plemplem« sei. Nicht einmal ein Kopfschütteln war auszumachen. Sie dachten es nur. Jeder Einzelne. Der Kommissar sah es an ihren Mundwinkeln und daran, wie sie die Krawatte lockerten oder diskret auf die Uhr sahen. Irgendwann verrecken wir an der political correctness, dachte er. Daran, dass keiner mehr sagt, was er denkt. Oder denkt, was er sagt. Anstand hatte etwas schrecklich Lähmendes. Etwas, das der menschlichen Evolution eines Tages mit einem freundlichen Lächeln ein Ende bescheren würde.
»Aber die haben sich wirklich ins Zeug gelegt â¦Â« Es war Haldimann, der hoffen lieÃ.
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