Eisige Glut by Brown Sandra

Autor:Brown, Sandra [Brown, Sandra]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet Verlag
veröffentlicht: 2015-11-05T10:45:49+00:00

17

Jeremy Wesson kratzte nachdenklich seinen Vollbart, während er im Lokalradio die Spätnachrichten hörte, die eine kurze Zusammenfassung von Willard Strongs Aussage vor Gericht brachten.

Zeitlich lag Willard zwar ein paar Stunden daneben, doch ansonsten stimmten seine Erinnerungen und Annahmen überraschend genau damit überein, was an dem Tag passiert war, an dem Jeremy Willards Ehefrau mit dessen Schrotflinte erschossen hatte, während Willard in der Kabine seines Pick-ups seinen Rausch ausgeschlafen hatte.

Ob die Geschworenen Willard diese Erklärung abkauften, blieb abzuwarten, aber es sah nicht gut aus für den Angeklagten. Jeremy hatte persönlich nichts gegen Willard, der auserwählt worden war, eine tragende Rolle zu spielen, und der diese Rolle hervorragend erfüllt hatte. Sein Aussehen passte. Sein Verhalten passte. Und wenn Jeremy die Ereignisse nicht gesteuert hätte, hätte Willard mit seinem Hang zur Gewalt Jeremy und Darlene vielleicht wirklich irgendwann erwischt und umgebracht.

Allerdings hatte nie die Chance bestanden, dass es dazu kommen könnte. Jeremy hatte bei dem Drama von Anfang bis Ende Regie geführt. Willards Verurteilung war sozusagen der letzte Akt. Für jeden Beobachter war Jeremy Wesson, und zwar jenseits aller begründeten Zweifel, ebenso tot wie die arme Darlene.

Die Mission – Jeremy Wessons moralischen Niedergang zu inszenieren, um damit die Verderbtheit Amerikas zu dokumentieren – war bis ins Detail ausgearbeitet und streng nach Plan durchgeführt worden. Er hatte sich als Mann präsentiert, der scheinbar alles hatte, was das Herz begehrt: eine schöne Frau, einen angesehenen Schwiegervater, zwei perfekte Söhne, eine strahlende Zukunft. Doch dieser amerikanische Traum war unaufhaltsam zerbröckelt, nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war – beschädigt, selbstzerstörerisch und unaufhaltsam auf ein katastrophales Ende zusteuernd.

Er hatte Jahre gebraucht, um all das zu bewerkstelligen, und einige der Rollen, die er dazu hatte spielen müssen, waren leichter einzuüben und aufrechtzuerhalten gewesen als andere.

Er hatte einen guten Marine abgegeben. Er war von Natur aus treffsicher und hatte obendrein die Gabe, anderen etwas beizubringen. Er hatte die Kameradschaft genossen, ganz besonders während seiner Einsätze im Nahen Osten. Er hatte sogar einige Freundschaften geschlossen, die er später nur schweren Herzens wieder gekappt hatte. Natürlich hatte er den Gott-und-Vaterland-Glauben der Truppe nie verinnerlicht. Den hatte er heucheln müssen, aber das hatte er überzeugend getan.

Die Rolle als Amelia Nolans Verehrer hatte ihn deutlich mehr gefordert. Seine Ungeschliffenheit war nicht nur gespielt gewesen. Er fühlte sich in einer Militärbaracke viel wohler als in einem Ballsaal. Zwar hatten ihm Randy und Patricia alle grundlegenden Anstandsregeln beigebracht, und er hatte genug Offiziersbälle besucht, um zu wissen, wie er sich bei offiziellen Anlässen zu benehmen hatte.

Aber die Nolans waren Teil einer Gesellschaft, die ihn stärker einschüchterte als jedes feindliche Ziel bis dahin. Das komplexe Regelwerk der Südstaaten-Aristokratie war nirgendwo niedergeschrieben, trotzdem schien es jeder in den auserlesenen Kreisen der Nolans zu kennen und verinnerlicht zu haben. Oft hatte er an seiner Entscheidung gezweifelt, welche Frau er umwerben und später heiraten sollte. Zunächst hatte er gedacht, er hätte seine Ansprüche vielleicht etwas senken sollen.

Doch zu seiner Verblüffung hatten ihn seine unbeholfenen Schnitzer in Amelias Augen umso liebenswerter gemacht. Er war anders als die Beaus, die ihr bisher den Hof gemacht hatten, und genau das machte seinen Reiz aus.

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