Eisfieber - Roman by Ken Follett

Eisfieber - Roman by Ken Follett

Autor:Ken Follett
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Roman
Herausgeber: Verlagsgruppe Luebbe GmbH Co KG
veröffentlicht: 2012-11-27T23:00:00+00:00


Toni kam nur noch mit höchstens zwanzig Stundenkilometern voran. Weit übers Steuerrad gebeugt, starrte sie mit zusammengekniffenen Augen in das dichte Schneegestöber jenseits der Windschutzscheibe und versuchte, die Straße zu erkennen. Ihre Scheinwerfer erleuchteten eine Wolke aus großen, weichen Schneeflocken, die das ganze Universum auszufüllen schien. So lange starrte Toni schon in den Schnee, dass ihre Lider brannten, als hätte sie Seife in die Augen bekommen.

Ihr Handy wurde zum Autotelefon, wenn sie es in eine Halterung am Armaturenbrett steckte. Sie hatte den Kreml angewählt und hörte nun, wie es dort endlos klingelte, ohne dass jemand abnahm.

»Scheint niemand da zu sein«, sagte Mutter.

Dieser Stördienst muss das ganze System lahm gelegt haben, dachte Toni. Hoffentlich funktioniert wenigstens die Alarmanlage noch! Und wenn was passiert, während die Telefone außer Betrieb sind? Voller Sorge und frustriert wegen der totalen Ungewissheit drückte sie auf die Taste, die den Anruf beendete.

»Wo sind wir?«, fragte Mutter.

»Gute Frage.« So vertraut ihr die Straße auch war – Toni konnte sie kaum noch erkennen. Sie hatte das Gefühl, schon seit Ewigkeiten unterwegs zu sein. Ab und zu warf sie einen Blick aus dem Seitenfenster und hielt Ausschau nach bestimmten Orientierungspunkten am Straßenrand. Jetzt glaubte sie, ein Landhaus mit einem charakteristischen schmiedeeisernen Tor zu erkennen, und dabei fiel ihr ein, dass es von hier aus nur noch etwa drei Kilometer bis zum Kreml waren. Das hob ihre Laune beträchtlich. »In einer Viertelstunde sind wir da, Mutter«, sagte sie.

Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und sah die Scheinwerfer, die sie schon seit Inverburn verfolgten: die Seuche namens Carl Osborne in seinem Jaguar, der ihnen im gleichen Schneckentempo stur auf den Fersen blieb. An jedem anderen Tag hätte sich Toni einen Spaß draus gemacht, den Kerl abzuhängen.

Vertue ich nicht bloß meine Zeit, fragte sie sich. Wie wäre das schön, wenn wir jetzt zum Kreml kommen und einfach alles in Ordnung ist  – die Telefonanlage repariert, die Alarmanlage funktionstüchtig, der Werkschutz gelangweilt und müde, aber auf Posten. Dann könnten wir endlich heimfahren, und ich kann mich ins Bett legen und davon träumen, wie morgen das Treffen mit Stanley verlaufen wird … Und das dämliche Gesicht von Carl möchte ich sehen, wenn ihm klar wird, dass er in der Weihnachtsnacht stundenlang durch den Schnee gegondelt ist – für nichts als eine Story über eine defekte Telefonanlage!

Sie erreichten einen relativ geraden Streckenabschnitt, und Toni wagte es, ein wenig Gas zu geben. Aber die Gerade war nur kurz, und gleich danach kam schon wieder eine Rechtskurve. Bremsen konnte Toni nicht, weil sie sonst ins Schleudern geraten wäre, deshalb schaltete sie einen Gang zurück, damit der Motor bremste, und behielt den Fuß stetig auf dem Gaspedal, während sie die Kurve ausfuhr. Sie spürte, wie das Heck des Porsche ausbrechen wollte, doch die breiten Hinterreifen hielten die Spur.

Auf der Gegenfahrbahn tauchten Scheinwerfer auf und kamen näher, sodass die hundert Meter, die noch zwischen den beiden Wagen lagen, plötzlich überschaubar waren. Viel gab es allerdings nicht zu sehen: Schnee, der schätzungsweise fünfundzwanzig Zentimeter hoch den Boden bedeckte, eine Trockenmauer zur Linken, ein weißer Hügel zur Rechten.



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