Eine Trillion Euro by Eschbach Andreas
Autor:Eschbach Andreas [Andreas, Eschbach]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-04-02T17:00:00+00:00
Die Sammler gehörten zur Rückseite der Medaille. Seit dem Start des Sputnik hatten allein Russen und Amerikaner über 5.000 Trägerraketen gestartet. Zusammen mit denen der Chinesen, Europäer, Inder, Japaner und Australier summierten diese sich heute, über siebzig Jahre später, auf fast 13.000 Raketenstarts. Jeder von ihnen belastete den Orbit mit ausgebrannten Raketenstufen, ausgebrannten Treibstofftanks, abgesprengten Batterien und unzähligen Kleinstpartikeln. Beim Zünden der Raketen wurden Aluminiumoxid-Teilchen freigesetzt und nach dem Start von Satelliten oft Deckel oder Schutzkappen abgesprengt. Fast 200 Explosionen im All hatten zudem eine Unmenge kleiner Trümmerteilchen verursacht.
Obwohl man sich seit Jahrzehnten dieser zunehmenden Gefahr für Satelliten, Raumfahrzeuge und Astronauten bewusst war, schickten allein die Betreiber satellitengestützter Nachrichtensysteme zwischen 2002 und 2008 eintausend neue Trabanten in eine Erdumlaufbahn. Insbesondere Russland und die USA waren ihrer geheimen Spionagesatelliten wegen kaum an einen Tisch zu bringen. Auf unzähligen Bahnen um den Planeten drängelten sich immer mehr Raumfahrzeuge.
Vor Beginn der Raumfahrt befanden sich zwischen 200 und 2.000 Kilometern Höhe kaum mehr als 300 Kilogramm Staub und Gesteine im Erdorbit. Ein halbes Jahrhundert später waren es bereits mehr als zwei Millionen Kilogramm; Weltraumschrott wohlgemerkt. Über 10.000 dieser Objekte waren größer als zehn Zentimeter, fast 200.000 immer noch größer als einen Zentimeter. Mit Radargeräten ließen sich bei drohenden Kollisionen nur erstere orten. Der Rest kam ohne Vorwarnung. Im Jahr 2010 kreisten Millionen von Objekten um die Erde. Nur 1.200 von ihnen waren funktionierende Satelliten, alles übrige space scrap; von mikroskopisch kleinen Lacksplittern über die gefrorenen Ausscheidungen der Astronauten bis zu ausgedienten Satelliten von der Größe eines Reisebusses.
Zu den prominentesten Artefakten zählten ein Handschuh der Gemini-4-Besatzung, eine Kamera des Gemini-10-Astronauten Michael Collins und mehr als 200 Mülltüten aus der russischen Raumstation Mir. Viele dieser Trümmerstücke rasten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 36.000 Kilometern pro Stunde um die Erde. Jedem Astronauten wurde daher im Training eingebläut, was geschieht, wenn ihm während eines Weltraumspaziergangs ein Müllsack mit 20.000 Stundenkilometern ins Gesicht fliegt …
Vor dreißig Jahren schlug ein 0,1 Millimeter großes Staubkorn einen vier Millimeter großen Krater in das Fenster einer US-Raumfähre. Ein kirschkerngroßes Teil hätte den Shuttle glatt durchschlagen. Und eine drei Zentimeter große Schraube besitzt bei dieser Geschwindigkeit dieselbe kinetische Energie wie ein Kleinbus, der mit einhundert Stundenkilometern gegen eine Wand rast. 2009 wurde der französische Astronaut Benoît Dion bei einem Außeneinsatz von einem etwa zehn Quadratzentimeter großen Metallteil getroffen. Es hatte denselben Effekt wie eine vor seiner Brust gezündete Handgranate. Was die Kollision mit einem Müllsack betrifft: Ich fürchte, das, was von einem Astronauten übrig bleibt, dürfte unter die Rubrik ›Kleinstpartikel‹ fallen.
Angesichts der boomenden Weltraumtourismus-Branche war das Problem offensichtlich: Für die Sicherheit im Orbit konnte immer weniger garantiert werden. Die Menschheit war dabei, sich unter einem unberechenbaren Schirm aus Weltraummüll selbst einzumauern.
Anfangs erschien das Einsammeln gefährlicher Objekte angesichts ihrer ungeheuren Menge undenkbar, daher konzentrierte man sich auf die Müllvermeidung und einigte sich auf Richtlinien zur Reinhaltung des erdnahen Raums. Forscher internationaler Institute entwickelten spezielle Schilde aus Keramik- und Polymerstoffen, um Satelliten und Raumfahrzeuge weitestgehend vor Weltraumschrott zu schützen. Trabanten mussten zudem über so viel
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