Eine Naturgeschichte des menschlichen Denkens by Tomasello Michael
Autor:Tomasello, Michael
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00
Soziale Normen und normative Selbstbeobachtung
Bei ihren gemeinschaftlichen Interaktionen im kleinen Maßstab wählten die Frühmenschen aktiv manche Kooperationspartner aus und mieden andere, und in einigen Fällen belohnten und bestraften sie sogar ihre Partner. Aber das vollzog sich alles im zweitpersonalen Modus, das heißt so, daß eine Person eine andere bewertete. Bei modernen, auf die Gruppe ausgerichteten Menschen wurden diese Bewertungen konventionalisiert und auf diese Weise in einem akteursneutralen, transpersonalen Modus angewendet, das heißt von allen auf alle (ja sogar von denen und auf jene, die nicht direkt an einer Interaktion beteiligt waren) und im Hinblick auf objektive, transpersönliche Standards. Obwohl Menschenaffen Vergeltung üben, wenn 134ihnen etwas angetan wurde, bestrafen sie nicht andere Individuen für Handlungen gegenüber Dritten (Riedl et al., 2012). Im Gegensatz dazu zwingen dreijährige Kinder anderen soziale Normen auf, auch wenn sie nicht persönlich beteiligt oder in irgendeiner Weise betroffen sind, und sie verwenden dabei häufig eine normative Sprache mit Bezug auf das, was man im allgemeinen tun oder nicht tun sollte (Rakoczy et al., 2008; siehe Schmidt und Tomasello, 2012, zu einer Übersicht).
Soziale Normen sind folglich wechselseitige Erwartungen im kulturellen gemeinsamen Hintergrund der Gruppe, daß Menschen sich auf bestimmte Weise verhalten, wobei die wechselseitigen Erwartungen nicht bloß statistisch sind, sondern vielmehr sozial normativ, wie etwa bei der Norm »man erwartet von dir, daß du deinen Teil tust (sonst setzt's was!)«. Die Kraft der Erwartungen rührt von der Tatsache her, daß Personen, die sich nicht daran anpassen, wie unsere Gruppe bestimmte Dinge tut, häufig Störungen erzeugen, die nicht geduldet werden sollten, und wenn manche Personen sich zu abweichend verhalten, signalisiert das in der Tat, daß sie nicht zu uns gehören (oder nicht zu uns gehören wollen) und daß man ihnen nicht trauen kann. Gruppenorientierte Menschen fassen Unangepaßtheit im allgemeinen als potentiell schädlich für das Gruppenleben im allgemeinen auf. Das Ergebnis ist, daß Menschen sich aus instrumentellen Gründen an soziale Normen anpassen (um sich erfolgreich mit anderen zu koordinieren), des weiteren aus Klugheitsgründen (um die Schmach der Gruppe zu vermeiden) sowie um vom Funktionieren der Gruppe zu profitieren, da Unangepaßtheit dieses Funktionieren potentiell stört (ein Grund, der sich am Wohl der Gruppe orientiert).
Wie Konventionen im allgemeinen funktionieren auch soziale Normen nicht in einem zweitpersonalen, sondern vielmehr in einem akteursneutralen, transpersonalen, generischen Modus. Erstens und am grundlegendsten sind soziale Normen insofern generisch, als sie einen objektiven Maßstab implizieren, anhand dessen das Verhalten einer Person bewertet und beurteilt wird. Bei den sozialen Bewertungen der Frühmenschen wußten die einzelnen lediglich, wer etwas ineffektiv oder unkooperativ getan hatte, aber jetzt sind die Rollen mit spezifischen akteursneutralen Maßstäben verknüpft (die als solche 135auch gelehrt werden können). Diese objektiven Maßstäbe entstehen aus einem wechselseitigen Verständnis dessen, wie die verschiedenen Funktionen bei bestimmten konventionalisierten kulturellen Praktiken ausgeführt werden müssen, wenn jeder den erwarteten Nutzen genießen soll. Wenn es also beispielsweise zum kulturellen gemeinsamen Hintergrund gehört, daß die Person, die beim Sammeln von Honig die Bienen ausräuchert, dies auf eine bestimmte Weise tun muß, und daß wir alle mit leeren Händen nach Hause gehen werden, wenn sie das
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