Eine Art Familientreffen by Kerr Judith

Eine Art Familientreffen by Kerr Judith

Autor:Kerr, Judith [Kerr, Judith]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


*

Nachher, beim Mittagessen in einem kleinen Restaurant, sprachen sie über Mama.

»Es ist schwer zu fassen«, sagte Max, »wenn man diese Ausstellung gesehen hat, bedenkt, was für eine Persönlichkeit Papa war und welches Leben sie an seiner Seite geführt hat. Und jetzt versucht sie, sich wegen eines Menschen wie Konrad umzubringen.«

»Er hat ihr Sicherheit gegeben«, sagte Anna.

»Oh, ich weiß, ich weiß.«

»Ich mag Konrad«, sagte Anna. »Was ich so erstaunlich finde, ist, wie Mama über die Dinge spricht, die sie gemeinsam unternehmen. Du weißt — ›wir haben im Bridge drei Dollar gewonnen‹, und ›der Wagen hat in anderthalb Stunden hundertdreißig Kilometer gemacht‹ — Es ist alles so langweilig und alltäglich.«

Max seufzte. »Wahrscheinlich ist es das, was ihr daran gefällt. Sie hat früher nie Gelegenheit für so etwas gehabt.«

»Wahrscheinlich.«

Max seufzte wieder. »Papa war ein großer Mann. Es ist gar nicht so leicht, sich seiner würdig zu erweisen. Mit ihm verheiratet und dazu ein Flüchtling zu sein — da würde jeder sich nach ein bißchen Alltäglichkeit sehnen. Ich glaube, irgendwie haben wir es alle getan.«

Anna erinnerte sich einer Zeit im englischen Internat, als sie sich nichts so sehr gewünscht hatte, wie Pam zu heißen und gut im Lacrosse zu sein. Aber das hatte nicht lange gedauert.

»Vielleicht empfindet man es nicht so sehr«, sagte Max, »wenn man den Wunsch hat, zu malen oder zu schreiben, dann ist es vielleicht nicht so wichtig, daß man anders ist als die anderen. Aber ich — «

»Unsinn«, sagte Anna. »Du bist immer anders gewesen als die anderen.«

Er schüttelte den Kopf. »Was die Leistungen, den Erfolg angeht... vielleicht: Bester Student, Stipendiat, glänzender junger Anwalt, von dem man munkelt, daß er der jüngste Kronanwalt sein wird...«

»Stimmt das?«

Er grinste. »Vielleicht. Aber bei all dem kommt es auf Anpassung an, nicht wahr? Was ich in Wirklichkeit tue: Ich setze alles daran, zu erreichen, daß ich mich in nichts von der obersten Schicht der englischen Normalbürger unterscheide. Manchmal habe ich mich gefragt, was gewesen wäre, wenn wir keine Flüchtlinge gewesen wären...«

»Du hättest auch dann Jura studiert. Da liegt deine Begabung.«

»Wahrscheinlich. Aber vielleicht wären meine Motive ein wenig anders gewesen.« Er verzog das Gesicht. »Nein, ich kann durchaus begreifen, warum Mama ein gewöhnlicher Mensch sein will.«

Eine Weile saßen sie schweigend da. Schließlich sagte Anna: »Was glaubst du, wie es jetzt weitergehen wird?«

Er zuckte die Schultern. »Konrad versichert immer wieder, daß er sich um sie kümmert... mit allem, was das heißt. Ich weiß nicht, ob er sich vorstellt, sie könnten so weiterleben wie früher, so, als ob gar nichts geschehen wäre. Vielleicht äußert er sich mal dazu, wenn wir heute abend zusammen essen.«

»Ja.« Sie sah Mama plötzlich ganz deutlich vor sich, mit ihren verletzlichen blauen Augen, dem entschlossenen Mund, der kindlichen Stupsnase. »Sie wird verzweifelt sein, wenn er es nicht tut.«

»Nun, ich denke, er wird es tun. Jedenfalls glaube ich, daß er die Absicht hat. Ich möchte nur nicht den Eindruck entstehen lassen, daß wir das für selbstverständlich hielten und ihn mit dem Problem allein lassen. Ich glaube, er braucht etwas Unterstützung.«

»Die könnten wir ihm doch geben, nicht wahr?«

Eine Weile lang sagte er gar nichts.



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