Ein schönes Ausländerkind by Toxische Pommes

Ein schönes Ausländerkind by Toxische Pommes

Autor:Toxische Pommes
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Balkan, Humor, Wien, Exil, Integration, Influencer, Comedy, Krieg, Serbien, Melisa Erkurt, Bosnien, Herkunft, TikTok, Mayo, Jugoslawien, Montenegro, Witz, Ketchup, Österreich, Sasa Stanisic, Ajvar, Instagram, Kosovo, Migration, Kroatien
Herausgeber: Paul Zsolnay Verlag
veröffentlicht: 2024-05-15T00:00:00+00:00


Raubkopierer sind Verbrecher

Der Kontakt zu Renate war nach unserem Auszug naturgemäß weniger geworden, allerdings nie ganz abgebrochen. Sie hatte uns ja nie etwas Böses getan, und meine Eltern sahen keinen Grund, alle Brücken zu ihr niederzubrennen. Außerdem kam Renate gerne in der Apotheke vorbei, wo meine Mutter arbeitete, und unterhielt sich freundschaftlich und für alle anderen Kunden gut wahrnehmbar mit ihr, während sie ihre Tabletten abholte.

Eines Tages rief Renate meine Mutter auf unserem Festnetzelefon an und fragte sie, ob wir einen Computer bräuchten, Gerhard hatte sich einen neuen gekauft. Ich war während des gesamten Telefonats ein paar Meter weiter in der Küche gestanden und hatte jedes Wort mitbekommen — sobald ich die Neuigkeiten hörte, fing ich an, vor Freude auf und ab zu springen: Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt das Internet schon länger, es war allerdings noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden, dass jeder einen Computer mit Internetzugang zu Hause stehen hatte.

Da der einzige Schreibtisch der Wohnung in meinem Zimmer stand, kam der Computer in mein Reich. Von nun an teilten sich meine Schulsachen die paar Quadratzentimeter der Tischoberfläche mit einem riesigen, schweren weißgelben Kasten, aus dem tausend klebrige Kabel ragten. Meine Mutter und ich waren bereits einigermaßen mit der Bedienung vertraut: Mir war seit der Volksschule erklärt worden, ich würde zur Computergeneration gehören, und auch meine Mutter arbeitete in der Apotheke immer öfter mit einem Rechner. Mein Vater jedoch war bisher nur selten mit Computern in Kontakt gekommen — höchstens hin und wieder bei Renate, wenn er die Tastaturknöpfe in ihrem Arbeitszimmers entstaubt hatte.

Daher zeigte er sich anfangs noch wenig beeindruckt von unserer technischen Neuanschaffung. Er beharrte weiterhin darauf, die sinnvollste Freizeitbetätigung bestehe darin, an der frischen Luft Sport zu treiben oder die Bibel zu lesen. Außerdem nervte es ihn, dass das Modem jedes Mal laut krächzte und ihn niemand am Telefon erreichen konnte, wenn ich ins Internet einstieg. Dass jemand meinen Vater anrufen wollte, passierte zwar so gut wie nie, aber man konnte ja nie wissen.

Nachdem er mich allerdings mehrmals beobachtet hatte, wie ich nach dem Training Stunden vor dem Computer verbrachte und bei Konzertmitschnitten meiner Lieblingsbands mitfieberte, Filme schaute oder Spiele spielte, setzte er sich eines Abends auf den freien Sessel neben mich. »A ima li tu i Elvisa?« (»Gibt es hier auch Elvis Presley?«), fragte er, als ich gerade dabei war, meine Lieblingssongs aus den MTV-Charts als MP3-Daten herunterzuladen. Ich zuckte mit den Schultern, tippte »Elvis Presley« in die Suchleiste, und ein Wunder geschah: mehr als hundert Suchergebnisse. »A možes li spustiti Džoni Keša?« (»Kannst du auch Johnny Cash herunterladen?«), staunte er mit großen Augen. Ich hatte ihm eine neue Welt gezeigt.

Die nächsten Wochen verbrachten mein Vater und ich damit, abends, nachdem meine Hausaufgaben erledigt waren, gemeinsam vor dem Computer zu sitzen und Musik zu hören. Es war fast wie damals, als wir bei Renate am Küchentisch unter der roten Plastiklampe gemeinsam Radio gehört hatten — nur, dass wir die Songs, jetzt selbst aussuchen konnten. Ich zeigte meinem Vater Nelly Furtado, OutKast, Christina Aguilera und Eminem; im Gegenzug ließ ich zum hundertsten Mal Elvis Presley und The Shadows über mich ergehen.



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