Ein neuer Gott für die alte Welt by Manfred Clauss
Autor:Manfred Clauss [Clauss, Manfred]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644118812
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-10-30T16:00:00+00:00
Clemens von Alexandria definiert die Ehe wie folgt: «Die Ehe ist ein Streben nach Kindererzeugung, nicht der ungeordnete, widergesetzliche und unvernünftige Erguss des Samens.»[30] Doch selbst die eheliche Sexualität wurde von vielen Kirchenvätern mit Misstrauen betrachtet. «Einmal vereinigt man sich, um Kinder zu zeugen, das andere Mal, um seine eigene Lust zu befriedigen.»[31] Und auch in der Kinderzeugung konnte man es übertreiben. Tatian kritisiert, wenn Mütter zu viele Kinder haben, und gießt seinen Spott über eine Frau aus, der in Rom eine Statue errichtet wurde: «Warum haltet ihr das Bild einer Frau, die dreißig Kinder zur Welt gebracht hat, für ein so wunderbares Werk? Sie hat ihrer Sinnlichkeit bis zum Äußersten nachgegeben und sollte also eher ein Gegenstand des Abscheus sein. Sie sollte eher mit einer Sau verglichen werden.»[32]
Immer wieder findet sich die Gegenüberstellung von Reinheit auf der einen sowie Unreinheit und Schmutz, also Sexualität, auf der anderen Seite. Alle Argumente, die der Mann für die Ehe anführen mag – die Notwendigkeit einer Hilfe in der Besorgung des Hauswesens und bei der Überwachung der Dienerschaft, die Bewahrung der Kasse und der Schlüssel, die Aufsicht in der Spinnstube, die Leitung der Küche –, seien, so Tertullian, vorgeschoben, gehe es doch in Wahrheit darum, «die unersättliche Begierde des Fleisches [zu] bemäntel[n]». Wer beweisen will, dass es ihm nicht um Sex, sondern tatsächlich um den Haushalt geht, kann dies sehr einfach tun: «Nimm dir irgendeine von den Witwen, deren Schönheit im Glauben, deren Mitgift in der Armut, deren Auszeichnung im Alter besteht. Das wird eine löbliche Heirat sein. Derartige Gattinnen kann man sogar mehrere haben.»[33]
Eine zweite Ehe wird häufig abgelehnt oder gar als «anständiger Ehebruch» verurteilt.[34] Tertullian etwa rät dazu, nach dem Verlust der Ehefrau nicht wieder zu heiraten. Da Gott die Ehe beendet habe, liefe eine neue Ehe dem Willen Gottes zuwider. Verglichen mit dem Ehebruch ist die zweite Ehe ein Übel kleinerer Art, aber ein Übel ist sie allemal. Gelegentlich wird sie sogar mit Hurerei gleichgesetzt, genauso wie die Ehe, die ein Gläubiger mit einer Ungläubigen eingeht.[35] In den Kirchen Kleinasiens wird die zweite Ehe im 4. Jahrhundert sogar verboten; wer sich nicht an das Verbot hält, wird ein Jahr von den Sakramenten ausgeschlossen. Für Hieronymus sind die in zweiter Ehe Lebenden schlimmer als Tiere, denn selbst die Turteltaube verbinde sich nach dem Tod des Partners mit keiner anderen.[36] Die Enthaltsamkeit nach dem Tod des Ehegatten war manchen Christen so wichtig, dass sie diese auf ihrem Grabstein vermerken ließen; so etwa eine Ehefrau, die bis zu ihrem Tod acht Jahre keusch lebte und als Zeugin die Nachbarschaft anführt.[37]
Die Sprache der Kirche bleibt oft verschwommen, insbesondere wenn es um die Unzucht geht, die immer wieder gegeißelt wird. So spricht Gregor von Rom davon, «dass bei den Männern die Neigung zur Unzucht in den Lenden, bei den Frauen am Nabel liegt»;[38] genauer wollte er das weibliche Geschlechtsorgan nicht beschreiben. Unzucht ist das wichtigste Mittel des Teufels, um Gewalt über den Menschen auszuüben. In einer Predigt zum Römerbrief warnt Johannes Chrysostomus die Gläubigen eindringlich
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