Ein Tropfen Zeit by DuMaurier Daphne
Autor:DuMaurier, Daphne [Daphne, DuMaurier]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2009-11-16T05:00:00+00:00
14
Ich lag und wartete, daß Schwindel und Übelkeit aufhörten. Ich wußte, daß ich es durchstehen mußte, und je ruhiger ich mich verhielt, desto rascher wäre es vorbei. Es wurde schon hell, und ich war wach genug, um nach meiner Uhr zu sehen. Wenn ich mir eine Viertelstunde Zeit ließ, ohne mich zu rühren, mußte alles gutgehen. Selbst wenn die Leute auf dem Treesmill-Hof schon aufgestanden waren, würde vermutlich niemand über die Straße zu diesem Schuppen kommen, der dicht an der Mauer eines alten Obstgartens im Tal stand; der Bach wenige Meter weiter war der letzte Überrest der einst von den Gezeiten bestimmten Flußmündung.
Mein Herz klopfte schwer, beruhigte sich jedoch allmählich, und der gefürchtete Schwindelanfall verlief glimpflicher als damals am Steinbruch bei meiner Begegnung mit dem Arzt.
Fünf, zehn, fünfzehn Minuten … Ich stand etwas unsicher auf, verließ den Garten und ging ganz langsam den Hang hinauf. Bis jetzt war alles in Ordnung. Ich stieg in den Wagen und blieb noch fünf Minuten lang sitzen, dann ließ ich den Motor an und fuhr vorsichtig nach Kilmarth zurück. Mir blieb reichlich Zeit, den Wagen in die Garage zu bringen und das Fläschchen im Labor einzuschließen; danach war es wohl am gescheitesten, sofort ins Bett zu gehen und noch ein bißchen auszuruhen.
Ich sagte mir, daß ich nichts mehr hatte tun können. Roger würde Isolda nach Tregest zurückbringen, und die Leiche des armen Bodrugan war bei den Mönchen gut aufgehoben. Irgend jemand mußte Joanna in Bockenod benachrichtigen; Roger würde gewiß dafür sorgen. Ich empfand jetzt Achtung, ja sogar Zuneigung für ihn. Bodrugans grausamer Tod rührte ihn offensichtlich, und wir hatten dieses Grauen gemeinsam erlebt. Jene böse Ahnung, die mich am Strand unterhalb von Chapel Point beschlichen hatte, bevor ich mit Vita und den Jungen zurücksegelte, hatte sich also bestätigt.
Ich fuhr gerade in die Garage, als ich an Vita und die Kinder dachte, und mit der Erinnerung kam das volle Bewußtsein. Ich war in der Gegenwart heimgefahren, während mein Gehirn noch in der anderen Welt weilte. Ich war heimgefahren, wußte, daß ich das Steuer in den Händen hielt und der Gegenwart angehörte, aber mein übriges Wesen war noch der Vergangenheit verhaftet und glaubte, daß Roger eben gerade mit Isolda nach Tregest ritt.
Der Schweiß brach mir aus allen Poren. Ich saß still und mit zitternden Händen im Wagen. Das durfte nicht noch einmal passieren. Ich mußte mich in Gewalt bekommen. Es war sechs Uhr früh, Vita, die Jungen und unsere leidigen Gäste lagen oben im Bett und schliefen – Roger, Isolda und Bodrugan waren seit über sechshundert Jahren tot. Ich war wieder in meiner Zeit …
Ich ging durch die Hintertür ins Haus und stellte das Fläschchen fort. Inzwischen war es ganz hell geworden, aber im Haus herrschte noch Stille. Ich schlich die Treppe hinauf in die Küche und setzte Wasser auf, um mir Tee zu machen. Eine dampfende Tasse Tee, das würde mir guttun. Das Summen des Kessels klang seltsam tröstlich. Ich setzte mich an den Tisch, und plötzlich fiel mir ein, wie viel wir alle am vergangenen Abend getrunken hatten.
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