Ein Mann und eine Frau by Unbekannter Autor

Ein Mann und eine Frau by Unbekannter Autor

Autor:Unbekannter Autor
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-17T00:00:00+00:00


Borghesia

Das Lied vom Bürgertum

Einer Frau, die niemals Tiere gehalten hatte, wurde ein Kätzchen geschenkt. Es wurde ihr in einem Schuhkarton mit Löchern im Deckel gebracht. Zugleich drückte man ihr eine schottisch karierte Tragtasche in die Hand, die ein Paket mit Sand, ein Wännchen aus gelbem Kunststoff mit dem Relief eines Katzenkopfes, ein Fläschchen mit Vitamintabletten und eine Sprühdose mit einem Desodorans enthielt, das »Aprilbrise« hieß. Die schottisch karierte Tasche, sagte ihr der alte, gebrechliche, traurige Diener, der in ihrer Wohnung erschienen war, müsse sie ihm wieder zurückgeben. Er war der Diener der Signora Devoto. Als sie einige Abende zuvor aus dem Kino kamen, hatte Signora Devoto ihr gesagt, Katzen seien eine wunderbare Ressource. Von ihnen gehe ein tiefes Gefühl der Stabilität, der Ruhe und des Friedens aus. Als dieses Kätzchen aus seinem Karton hervorgeholt wurde, flitzte es ins Wohnzimmer, kletterte die Vorhänge hinauf und blieb auf der Schabracke hocken. Es war ein unglaublich kleines milchkaffeefarbenes Kätzchen mit brauner Schnauze, braunen Pfoten und einem kleinen, kurzen gebogenen Schwanz, und der Diener sagte, es handele sich um einen Siamkater von zweieinhalb Monaten, ein Junges der Katze, die der Mutter der Signora Devoto gehöre. Eine Katze müsse zum Schlafen immer einen Korb und eine Decke haben und - um Himmelswillen - Wasser.

Für eine Siamkatze seien Reis und Fisch die beste Ernährung, der Fisch müsse entgrätet sein und der Reis sehr weich gekocht.

Die Frau hieß Ilaria Boschivo. Sie war seit einigen Jahren Witwe. Sie war mager, sehr verrunzelt, mit kurzem grauem, wolligem Haar und großen blauen Augen. Sie lebte allein. In der Wohnung nebenan wohnten ihre Tochter und ihr Schwiegersohn, und in der Wohnung darüber lebte ihr Schwager, Pietro Boschivo, ein Antiquar. Der Schwager unterhielt sie alle. Er war der Bruder ihres verstorbenen Mannes, Giovanni Boschivo, eines Theaterunternehmers. Zwischen der Wohnung ihres Schwagers und der ihren gab es eine kleine Wendeltreppe. Schwiegersohn und Tochter, beide achtzehnjährig, hatten weder Geld noch Lust zu kochen und aßen gewöhnlich bei ihr. Die Tochter hieß Aurora und der Schwiegersohn Aldo, mit Nachnamen Palermo. Ilaria kochte zusammen mit ihrem Dienstmädchen namens Cettina, einer großen gebeugten Alten mit langer Nase, die sie seit vielen Jahren im Haus hatte. Bei ihr aß auch das Dienstmädchen des Schwagers, Ombretta genannt, eine untersetzte, breite dunkelhäutige und kraushaarige Person, die aus Brindisi gekommen war. Ombretta kochte nicht, weil sie nicht kochen konnte, und sie wusch kein Geschirr ab, weil sie Rheumatismus in den Händen hatte oder zumindest vorgab, ihn zu haben.

Der Schwager sagte, sie sei für ihn vollkommen unbrauchbar, er behalte sie nur aus Mitleid, weil ihre Verwandten sie sonst auf die Straße schickten. Ombretta verbrachte ihre Tage im Unterrock auf der Terrasse des oberen Stockwerks, um sich Schenkel und Rücken zu bräunen, und die Abende im unteren Stockwerk, wo der Fernseher stand. Ihr Zimmer war im oberen Stockwerk, aber sie zog es vor, immer im unteren Stockwerk und zwar im Fremdenzimmer zu schlafen, wo es eine wunderschöne Blumentapete gab und das Bild einer Alten im Kopftuch, das sie an ihre Großmutter erinnerte. In



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