Ein Mann für jede Tonart by Hera Lind

Ein Mann für jede Tonart by Hera Lind

Autor:Hera Lind [Lind, Hera]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dotbooks GmbH
veröffentlicht: 2013-03-18T23:00:00+00:00


19

Am nächsten Morgen – ich erwachte um kurz vor acht durch ungewohnte Geräusche – rechnete ich als erstes die Stunden aus, bis Klaus bei mir sein würde. Noch fünf Stunden ohne Klaus. Und dann nie mehr ohne Klaus. Sich vorzustellen, er käme in seinem roten, schnittigen, sauberen BMW am Ulmer Münster vorgefahren! Sich vorzustellen, er nähme mich in die Arme, wäre groß und stark und warm und wohlriechend! Sich vorzustellen, wir zögen Arm in Arm in ein feines, gemütliches, warmes Restaurant, würden eine heiße Suppe essen und anschließend einen frischen, grünen, knackigen Salat! Sich vorzustellen, wir gingen später in unser warmes, blitzsauberes und mit braunen Teppichen ausgelegtes Hotelzimmer mit Minibar, einem Farbfernseher, einem geräumigen modernen Bad mit großen Spiegeln und einem duftenden, frischen französischen Bett ...

Soweit stellte ich mir alles wunderbar vor. Als ich bei dem Bett angekommen war, überlegte ich, daß dieses Möbelstück eine gewisse Verpflichtung mit sich bringen würde. Klaus würde vermutlich die leidenschaftliche Nummer inszenieren wollen, mich mit Wucht in seine starken Arme reißen und mit seinem Vollbart Kratzspuren auf meinem Gesicht hinterlassen. Er würde vermutlich das französische Bett arg zum Wanken bringen, vielleicht sogar zum Krachen ...? Ich würde, um meine Stimme zu schonen, nicht um Hilfe rufen, sondern versuchen, meine empfindlichen Körperteile zu schützen vor Knüffen, Püffen, krachenden Umarmungen. Ich würde meine Frisur als Entschuldigung benutzen oder meine Nervosität vor dem Konzert. Dann würde er es nach dem Konzert wieder versuchen. Er würde sich nicht davon abbringen lassen.

Ich verwarf den Gedanken an erfolgreiche Selbstverteidigung erst einmal und stand auf. Im Badezimmer war kein Gebiß mehr zu sehen, nur Haare im Waschbecken und Zahnpasta am Spiegel. Nur noch fünf Stunden. Nein, vier Stunden und fünfzig Minuten. Das Duschen schenkte ich mir. In der Dusche hing nämlich die beigefarbene Unterwäsche der Hausfrau, bestehend aus einem übergroßen Mieder, einem hautfarbenen BH, geziert von einer rose Schleife in der Mitte der beiden Brusthalterschalen, und einer noch stark tropfenden Strumpfhose, von der ein langer Faden herunterhing.

Ich wusch mir schnell nur das Gesicht und suchte das Weite. Im Kämmerle zog ich mich anders an und schminkte mich etwas heftiger als sonst. Irgendwie wollte ich den Vaddr noch schocken.

Der hockte wieder in seinem Lehnstuhl mit Blick auf die Wand. Die Mutter kam hereingestürmt, mit Lockenwicklern im Haar (was augenscheinlich ein völlig nutzloses Unterfangen war, da es strähnig und platt gegen dieLockenwickler trotzte), und versuchte, mich zu umarmen. Ihre Begeischterung galt der sauberen Küche, die sie wohl nach dem Krieg nicht mehr in diesem Zustand erläbt hatte.

Der Vaddr sagte nichts. Bei dem hatte ich ein für allemal verschissen. Vermutlich hatte er die leere Weinflasche gefunden, die ich neben seinem Sessel hatte stehen lassen. Ja, hätte ich sie denn wieder in den Vorgarten der Frau Schäuberle schmeißen sollen?

Ich frühstückte mit der schwätzenden Frau. Sie war auf dem Müsli-Trip und matschte sich eingeweichte Körner in einem Hundenapf zusammen. Dann mischte sie geraschpelte Möhren und Nüsse darunter und bot mir das Ganze an. Ich konnte mich gerade noch wehren, indem ich von einer Diät faselte. Tatsächlich mußten diese Leute glauben, ich mache eine Nulldiät.



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