Ein König aus Hannover: Georg I. - Der erste Welfe auf englischem Thron (German Edition) by Heinrich Thies

Ein König aus Hannover: Georg I. - Der erste Welfe auf englischem Thron (German Edition) by Heinrich Thies

Autor:Heinrich Thies [Thies, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: MatrixMedia
veröffentlicht: 2015-04-07T16:00:00+00:00


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Rattenkönig

Der Prunk der Krönungszeremonie ist das eine, das Urteil der scharfzüngigen Presse und die Meinung des gemeinen Volkes etwas ganz anderes. Mag der neue König aus Hannover hinter den dicken Mauern von Westminister Abbey noch so verherrlicht werden, auf der Straße weht ihm der kalte Wind der Ablehnung und des Argwohns entgegen. Der pflichtschuldige Begrüßungsjubel ist längst verhallt. Sie nennen ihn Rattenkönig, argwöhnen, dass er gekommen ist, um mit den Seinen das Vereinigte Königreich kahl zu fressen – garstig wie die gefräßigen Nager in den unterirdischen Abwasserkanälen.

Patron einer Landplage. Mögen die Hofmaler ihn auch als Hoheit voller Güte und Weisheit verewigen, die Karikaturisten zeichnen ein anderes Bild. Auf ihren Darstellungen ist er seiner Prunkgewänder, seiner königlichen Aura beraubt, ist einfach nur klein und untersetzt, hat eine lange spitze Nase und Tränensäcke, die wie seine schlaffen Wangen darauf hindeuten, dass die besten Jahre schon hinter ihm liegen. Mit stumpfem, geistlosem Blick glotzt er da in die Welt: eine lächerliche Figur, eine Marionette. Steif, langweilig, dumm, ohne jede Strahlkraft. Ein Einfaltspinsel, unwürdig, Krone und Zepter zu tragen.

Nicht einmal seine militärischen Verdienste gereichen ihm hier in London zur Ehre. Großbritannien ist kriegsmüde, trägt schwer an den Lasten vergangener Schlachten. Da jubelt das Volk keinem König zu, der sich im Glanz zurückliegender Siege auf dem Schlachtfeld sonnt.

Der Welfe auf dem britischen Thron ist darüber nicht traurig. Nein, Georg I. ist kein Mann, der in Erinnerungen vergangener Großtaten schwelgt. Überhaupt läuft es seiner Natur zuwider, seine Macht zur Schau zu stellen. Der Nebel im Dunstkreis der Themse duldet keinen Sonnenkönig. Statt sich am Hofe zu präsentieren, zieht er es vor, öffentliche Theatervorstellungen, Opern und Konzerte zu besuchen – am liebsten ohne großes Gefolge, begleitet nur von Melusine und ihren Töchtern.

Doch natürlich bleibt er ein Gefangener der Etikette. Der Hofstaat, den er von Queen Anne übernommen hat, ist gigantisch, das prunkvolle Aushängeschild eines Weltreiches eben. Wenn er am Sonntag zum Gottesdienst in die Schlosskapelle geht, geben ihm die zwanzig Gentlemen-at-Arms in ihren karminroten Uniformen ihr Geleit. Wenn er in offizieller Mission den Palast verlässt, eskortiert ihn eine Ehrengarde von hundert Mann. Wo immer er sich zeigt, künden Pauken und Trompete, Kirchenglocken und Salutschüsse von seinem herausragenden Amt und seiner Herrlichkeit. Für nahezu jeden seiner Lebensbereiche gibt es am Hofe eine zuständige Amtsperson, vom Vorkoster, Koch und Mundschenk bis zum Garderoben-Intendanten, Ruderer und Rattentöter. Die Liste der Hofämter ist lang, verwirrend lang. Am nächsten stehen ihm seine Kammerherren. Doch Georg legt Wert darauf, dass die elf englischen Lords außerhalb seiner Privatgemächer bleiben. Hier haben nur seine beiden Kammertürken Zutritt, die er aus Hannover mitgebracht hat: Mehmet und Mustafa. Den beiden vertraut er so sehr, dass er sich von ihnen auch seine Hüte, Perücken und Gewänder besorgen lässt.

Bei seinen politischen Amtsgeschäften stehen ihm Bernstorff und Bothmer zur Seite, die Chefs der Deutschen Kanzlei, über die der König Kontakt zu seinem Kurfürstentum hält. Bernstorff und Bothmer sind auch die wichtigsten Anlaufstellen für die zahlreichen Bittsteller, die um eine Audienz nachsuchen. Manchen ist ein Termin beim König so wichtig, dass sie dafür den Vermittlern auch kleine und größere Geschenke zukommen lassen.



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