Ein Job. Kriminalroman by Irene Dische

Ein Job. Kriminalroman by Irene Dische

Autor:Irene Dische [Dische, Irene]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455811872
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 2015-06-12T16:00:00+00:00


»Xalti«, sagte er, »helfen Sie mir, ich muß die Fifth Avenue finden, Ecke Zehnte Straße.«

»Zuerst die Zeitung, wenn’s recht ist«, sagte sie. Sie brauchte keinen Stadtplan. Sie zeigte mit dem Finger hierhin und dorthin, und er hielt sich daran. Sie erreichten die Fifth Avenue, und er fuhr so langsam wie möglich, weil er sich angesichts all der Passanten, die ihre Einkäufe machten, plötzlich ausgeschlossen fühlte. »Wenn ich bloß die Zeit hätte, mir ein paar Sachen zu kaufen«, sagte er mit tragischer Stimme. »Seit Tagen laufe ich in denselben Kleidern herum.«

»Kleider sind Handschellen«, erwiderte Mrs. Allen. »Seien Sie froh, daß Sie keine haben.«

»Und Bücher?« fragte er. »Und Papiere? Sind das etwa keine Handschellen?«

»Sie haben recht, natürlich«, antwortete sie. »Komisch, so habe ich das noch nie gesehen. Aber Sie haben vollkommen recht. Ich will sehen, daß ich sie loswerde.«

»Nein, nicht!« rief er entsetzt. »Ihre Bücher sind doch schön. Da ist ein Zeitungskiosk.«

Die Fifth Avenue verlor an Pracht, und sein Neid flaute ab. Die Zehnte Straße war nichts Besonderes. Süleyman Erkals Laden hatte ein großes Schaufenster voller orientalischer Antiquitäten. Alan hielt direkt davor an. Süleyman stand hinter einer Theke. Er sah aus wie ein Verkäufer und war so dick wie des Müllers Huhn. Er sprach mit einem Kunden, der der Tür den Rücken zuwandte. Doch Alan erkannte den Nadelstreifenanzug und das dichte, angegraute Haar sofort: Mr. Ballinger. Er setzte den Wagen so weit zurück, daß er vom Laden aus nicht mehr zu sehen war. »Lesen Sie Ihre Zeitung, Xalti«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da.« Sie starrte auf die Seiten und hatte dabei ein Auge fest zugekniffen.

Er wechselte auf die andere Straßenseite und beobachtete den Laden aus der Ferne. Früher war Süleyman ein schmaler Mann gewesen, hatte immer hungrig ausgesehen und wie ein Hund, mit seinen baumelnden Ohren. Jetzt wirkte er wohlgenährt und zufrieden. Über den Schläfen hatte er etwas Haar verloren, aber wenig. Er hatte ein paar Falten, aber nicht viele. Die Hängebacken verhüllte er mit einem gelben Schal. Und irgend etwas ärgerte ihn. Sein Mund bewegte sich schnell, er schob das Kinn vor und starrte Mr. Ballinger an, der beschwichtigend eine Hand hob. Dann griff Mr. Ballinger nach einem Paket, das er zwischen die Beine geklemmt hatte. Er hielt es Süleyman hin, dessen Miene sich plötzlich veränderte. Der Zorn legte sich. Der Geschäftsmann wirkte jetzt unsicher. Schließlich kam er hinter der Theke hervor und schüttelte Mr. Ballinger die Hand. Er nahm das Paket, kehrte damit hinter den Ladentisch zurück und riß es mit kindlichem Eifer auf. Das Entzücken verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln, als zwei riesige Teddybären zum Vorschein kamen. Mrs. Allens Gesicht schwebte über der Zeitung auf ihrem Schoß, aber sie hatte beide Augen geschlossen, sonst hätte er sie später nach ihrer Meinung fragen können. Anscheinend bedankte sich Süleyman jetzt bei Mr. Ballinger. Sie unterhielten sich eine Zeitlang, bis Mr. Ballinger ihm einen Artikel in einer Zeitung zeigte. Wieder wurde Süleyman wütend, und sie fingen an zu streiten. Ihre Hände fuhren in der Luft herum und landeten zu Fäusten geballt auf dem Ladentisch.



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