Ein Grab in Gaza by Matt Beynon Rees

Ein Grab in Gaza by Matt Beynon Rees

Autor:Matt Beynon Rees [Rees, Matt Beynon]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-09-14T16:00:00+00:00


KAPITEL16

Über die Saladinstraße fuhren sie nach Gaza-Stadt zurück. Omar Jussuf saß zusammengesunken auf dem Beifahrersitz und dachte über die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden nach. Als Cree einem sorglos durch den Verkehr laufenden Fußgänger auswich, schreckte er aus seiner Grübelei hoch. Cree fluchte, Omar Jussuf lächelte, tätschelte den langen Unterarm des Schotten und überließ sich wieder seinen Gedanken.

Saladin war einst mit seinem Heer über diese Straße gezogen, um Palästina von den Kreuzfahrern zu befreien. Heute zogen hier keine Befreier mehr entlang. Nur brutale Milizionäre, korrupte Polizisten und Regierungsfunktionäre, die sich ausschließlich für ihren VIP-Status interessierten. Keine Befreier mehr – es sei denn, man hätte Omar Jussuf und Cree dazugezählt.

Ein mit Wassermelonen beladener Eselskarren zuckelte aus einem Feldweg, und Cree wich erneut aus. «Teufel noch mal», sagte er und rieb sich die Stirn.

Omar Jussuf zog über die gleiche Straße wie der große Krieger Saladin. Er würde Magnus Wallender und Ejad Mascharawi befreien. Er schloss die Augen und versuchte sich den Moment vorzustellen, wenn er ihnen die Hände schütteln und ihre Freilassung feiern würde.

Plötzlich überkam ihn Panik. Die Hände der Männer waren durch die Maniküre à la Husseini verstümmelt, und ihr Blut ergoss sich über ihn. Er zwang sich, die Augen offen zu halten. Beide Männer wurden vielleicht in diesem Moment gefoltert, während er hilflos in einem Auto saß. Er stöhnte.

«Alles in Ordnung?», fragte Cree.

Omar Jussuf hatte geglaubt, sein Stöhnen sei nicht zu hören. «Nur mein Kopf.»

«Immer noch ’ne kleine Beule, nicht wahr?»

«Es fühlt sich an, als ob mich ein Esel getreten hätte.» Omar Jussuf dachte an den britischen Friedhof und die Art und Weise, in der Cree dort mit ihm über seine Vergangenheit gesprochen hatte. «James, Ihre Verbindung zu all diesen Dingen, die in Gaza geschehen, ist Ihr Urgroßvater», sagte er. «Ich habe auch einen Grund, die Sache viel persönlicher zu nehmen, als Sie vielleicht ahnen.»

Cree hielt den Blick weiter auf die Straße geheftet, hob jedoch das Kinn. «Ach ja?»

«Ich habe auch einmal wie Ejad Mascharawi aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen.»

Cree grinste. «Sie böser, alter Junge. Wann war das?»

«Als ich noch sehr jung war, während der Sechzigerjahre.»

«Die Israelis?»

«Nein, die Jordanier.» Es war Jahre her, dass Omar Jussuf von diesen Zeiten gesprochen hatte, und er war überrascht, dass es ihm nun wie eine Befreiung vorkam. «Ich habe in Bethlehem politisch gearbeitet und war ziemlich radikal. Einige meiner Gegner haben mir etwas in die Schuhe geschoben.»

«Was denn?»

Omar Jussuf zögerte. «Mord.»

«Ist nicht Ihr Ernst!»

«Von den Leuten, die noch leben, wissen das nur ganz wenige. Ich habe nie jemandem davon erzählt, mit Ausnahme meiner Frau. Und jetzt Ihnen. Nachdem das passiert war, ging ich auf die Universität von Damaskus und spielte eine führende Rolle in der Studentenpolitik. Aber ich muss gestehen, dass ich Angst hatte, als ich wieder nach Bethlehem zurückkehrte. Also ging ich in Deckung. Ich gab Unterricht an meiner Schule und führte ein zurückgezogenes Leben. Das Gefängnis war so grauenhaft, dass ich wusste, ich halte es ein zweites Mal nicht aus.» Omar Jussuf senkte die Stimme. Er schien ein Selbstgespräch zu führen.



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