Ein Blatt Liebe by Emile Zola

Ein Blatt Liebe by Emile Zola

Autor:Emile Zola [Zola, Emile]
Format: mobi, epub
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-02-20T23:00:00+00:00


10.

Am Abend ging es Jeanne besser. Sie konnte aufstehen, und um die Mutter zu beruhigen, schleppte sie sich ins Eßzimmer, wo sie sich vor ihre leere Schüssel setzte.

»Es wird nichts sein,« tröstete sie und versuchte ein Lächeln. »Du weißt ja, daß ich nicht tapfer bin ... Iß du doch, Mama! Bitte, iß!«

Und als sie sah, daß ihre Mutter blaß wurde und fröstelte, nicht imstande, einen Bissen herunter zu würgen, täuschte sie selbst Appetit vor. Sie möchte ein bißchen Backwerk essen, beteuerte sie. Da nahm sich Helene zusammen und aß. Das Kind schaute sie ständig lächelnd mit nervösem Kopfschütteln bewundernd an. Beim Nachtisch wenigstens wollte Jeanne ihr Versprechen halten, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Es geht nicht, du siehst's doch,« sagte sie matt, »du darfst mich nicht schelten ...«

Jeanne verspürte bleierne Müdigkeit. Ihre Beine erschienen ihr wie tot, und eine Eisenfaust preßte ihr die Schultern zusammen. Aber sie stellte sich tapfer und unterdrückte ihre Schmerzen.

Im Halse rissen die Schmerzen, und der Kopf wurde ihr schwer. Und als Helene das Töchterchen so mager, schwach und doch so tapfer sah, war sie nicht mehr imstande, die Birnen zu essen, die sie sich hatte aufnötigen lassen. Schluchzen würgte sie. Sie ließ ihre Serviette fallen und schloß Jeanne in die Arme.

»Mein Kind, mein Kind!« stammelte Helene. Das Herz wollte ihr brechen in diesem Eßzimmer, wo die Kleine sie so oft mit ihrem Leckermäulchen erheitert hatte.

Jeanne versuchte wieder ihr Lächeln.

»Quäle dich nicht! Es wird nichts sein. Jetzt kannst du mich wieder zu Bett bringen. Ich wollte dich am Tisch sehen, weil ich dich kenne – du hättest sonst gar nichts gegessen.«

Helene trug sie fort. Sie hatte das Bettchen neben das ihrige in die Kammer gerollt. Als Jeanne sich ausgestreckt und bis ans Kinn zugedeckt hatte, fühlte sie sich weit besser und klagte nur noch über dumpfen Schmerz im Hinterkopf. Dann wurde sie zärtlich. Seit sie litt, schien ihre leidenschaftliche Liebe zu wachsen. Helene mußte sie umarmen, mußte geloben, sie recht zu lieben, und ihr versprechen, sie noch einmal in den Arm zu nehmen, wenn sie sich zu Bett legen würde.

»Wenn ich auch schlafe,« versicherte Jeanne, »ich fühle dich trotzdem.«

Sie schloß die Augen und schlummerte ein. Helene blieb bei ihr. Als Rosalie auf den Fußspitzen kam und fragte, ob sie zu Bett gehen dürfe, antwortete sie nur mit einem Nicken.

Es schlug elf, als Helene ein leises Klopfen an der Flurtür zu hören meinte. Sie nahm die Lampe und ging verwundert auf den Korridor.

»Wer ist da?«

»Ich! Öffnen Sie!« kam eine gedämpfte Stimme.

Es war Henri. Helene öffnete arglos. Ohne Zweifel hatte der Doktor von Jeannes neuerlichem Anfall gehört und kam nun selbst, wenn ihn auch Helene nicht hatte rufen lassen. Aber Henri ließ ihr nicht Zeit zum Reden. Er war ihr zitternd mit gerötetem Antlitz in die Eßstube gefolgt.

»Bitte, verzeihen Sie mir!« stammelte der Arzt, ihre Hand fassend. »Drei Tage lang habe ich Sie nicht gesehen. ich konnte es nicht länger aushalten.«

Helene hatte ihre Hand frei gemacht. Sie hatte ihn mit schweigender Strenge angehört, die ihn quälte.

»Oh! weshalb



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.