Ein Abend im Club by Gailly Christian

Ein Abend im Club by Gailly Christian

Autor:Gailly, Christian [Christian, Gailly]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2003-10-12T00:00:00+00:00


11.

Bis zu dem Zug um 13.21 Uhr hatte er noch Zeit, am Strand spazieren zu gehen, Debbie zu sehen, wenn er sie fand, wenn sie wirklich dort war, sie hatte gesagt, wenn schönes Wetter ist, aber man weiß ja nie, und dann musste er noch Suzanne Bescheid sagen, ja, genau, nicht vergessen, Suzanne anzurufen, dachte er beim Verlassen des Hotels.

Was frappiert uns bei unseren allerersten Schritten an einem Vormittag, auch wenn der schon fast vorüber ist, auf einer kleinen Straße, die zum Meer führt? Die Leichtigkeit der Luft.

Das ist natürlich nur ein Eindruck. Die Luft ist auch nicht leichter als anderswo. Es liegt eher am Geruch, oder am Licht und sicher an der Kühle, selbst unter der Elf-Uhr-Sonne, der noch feuchten Kühle der Luft, und dann natürlich am Himmel, dort wo sich das Meer mit ihm vereinigt, am völligen Fehlen von Hindernissen am Horizont, wenngleich darüber, und zwar nach Westen, eine kleine Wolkenkarawane zieht.

Nur ein Eindruck natürlich. Aber ein Eindruck kann nur auf ein Herz wirken, das eben danach strebt, beeindruckt zu werden. Und dazu muss man sich leicht fühlen.

Simon fühlte sich leicht. Er hatte zu viel gegessen, fünf Croissants, doch ihm war leicht ums Herz. Ihm passierten lauter angenehme Dinge, die ihm schon sehr lange nicht mehr passiert waren. Klavier spielen, Alkohol trinken, im Hotel schlafen, an einem Junitag morgens um n Uhr unrasiert auf die Straße gehen, am Meer sein, es sehen, von einem Haufen Leute geliebt werden wie am Abend zuvor, geliebt werden, verliebt sein und es glauben, kurz, er hatte ein Rendezvous.

Denk dran, Suzanne anzurufen, sagte er sich, um sich nicht rundum glücklich zu fühlen, wäre doch schade, sich nicht ein bisschen schuldig zu fühlen, aber es macht nichts, sie wird nie davon erfahren, dachte er ein wenig feige, ein wenig schändlich, gerade so viel wie nötig, und außerdem ist das Wetter schön, also.

Also nichts. Das Meer war weit weg. Kein bisschen Wind. Ein Haufen junger Leute fläzte sich rund um den Surfbrettverleih. Simon in seinem Straßenanzug ging an dem Ganzen vorbei und fragte sich, ob diese jungen Leute nichts Besseres zu tun hatten, als mit um die Taille gerollter Surferkluft auf Wind zu warten, nichts Besseres, als auf das Meer zu warten. Dann, als ihm einfiel, dass im Juni Ferien sind, dachte er an das Studium seines Sohnes. Das nicht sonderlich glor-, aber schließlich doch erfolgreich gewesen war. Gut so, dachte er, denn ich selbst bin keine Leuchte, seine Mutter jedoch ist intelligent und resolut wie er. Denk dran, sie anzurufen, sagte er sich und dann, hör auf zu denken, du verdirbst noch alles.

Keine Gefahr. Das Meer ist da. Es ist immer da. Man kann weggehen, sogar für sehr lange, man kommt zurück, es ist da. Hast du mich erwartet?, fragte er. Na komm schon her, bleib nicht so ganz allein da hinten. Dummes Meer. Siehst du mich nicht? Dabei bin ich doch hier. Er musste an sich halten, um nicht zu winken, wie damals als kleiner Junge, und zu schreien: Huhu, Meer, ich bin wiedergekommen, hier bin ich.



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