Ehrensachen by Begley Louis

Ehrensachen by Begley Louis

Autor:Begley, Louis [Begley, Louis]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
veröffentlicht: 2013-01-01T00:00:00+00:00


XIX

Da wir zur Hauptverkehrszeit im Stau steckengeblieben waren, erst auf dem West Side Highway und dann im Tunnel, trafen wir erst nach sechs bei den Whites ein, eine gute Stunde später, als Henry seiner Mutter angekündigt hatte. Weil er so oft wiederholt hatte – gleich, als er mir die Einladung seiner Eltern weitergab; dann, nachdem ich zugesagt hatte; mindestens zweimal, bevor wir aus Cambridge abfuhren, und noch einmal, als wir im Battery-Tunnel im Schneckentempo vorrückten –, Brooklyn sei überhaupt nicht mit Lenox oder Stockbridge oder sonst einem mir vertrauten Ort zu vergleichen, und er hoffe nur, daß ich nicht geschockt sein würde, machte ich mich darauf gefaßt, seine Eltern in einem Slum vorzufinden, in einem Viertel, das so aussah wie der heruntergekommene Teil von Pittsfield, um den wir einen Bogen machten. Statt dessen hielten wir in einer baumbestandenen Einbahnstraße vor einem stattlichen, mit Stuck verputzten Haus, dessen Vorgarten aus einem winzigen halbverschneiten Rasen bestand. Das ist es, sagte Henry. Wenn wir unser Zeug aus dem Kofferraum ausgeladen haben, fahre ich in die kleine Straße dort. Diese Straße, erklärte er, führe zu einer Garage, in der sein Vater sein Auto parkte. Die Eltern hatten das Haus vor sechzehn Monaten gekauft. Mr. oder Mrs. White mußten unsere Stimmen oder die zuschlagenden Wagentüren gehört haben. In dem Augenblick, als wir die Stufen zum Eingang hochstiegen, traten sie auf die Veranda.

O mein Gott, sagte Mrs. White und preßte die rechte Hand aufs Herz, wo warst du denn so lange? Vielen Dank, daß du dir so viele Sorgen um Daddy und mich gemacht hast. Wo bist du herumgefahren? In einem Land, wo das Telefon noch nicht erfunden ist? Oder du hast unsere Telefonnummer vergessen? Das kann natürlich gut sein.

Ich sah Henrys knurrige Reaktion voraus, schob mich zwischen ihn und seine Mutter – erst später fiel mir auf, daß ich wieder wie früher den Sonny Boy spielte – und sagte: Mrs. White, bitte, machen Sie Henry keine Vorwürfe, es ist meine Schuld, daß er nicht angerufen hat, er wollte wer-weiß-wie-oft an einer Telefonzelle anhalten, und jedesmal habe ich es ihm ausgeredet. Immer wieder habe ich ihm gesagt, bei diesem dichten Verkehr und bei den geringen Chancen, daß dich jemand wieder einscheren läßt, sind wir viel schneller da, wenn wir einfach weiterfahren. Bitte, entschuldigen Sie, wenn ich es falsch gemacht habe.

Mrs. White sah nicht sehr versöhnt aus, aber sie sagte okay, schon gut. Das verstand ich als Absolution, ging um sie herum, sah Mr. White an und drückte ihm mein Mitbringsel in die Hand. Sein Gesichtsausdruck war genauso, wie ich ihn aus Cambridge in Erinnerung hatte: zerstreut, aber mit einem Anflug von Heiterkeit. Er sagte, das wäre nicht nötig gewesen, ich hätte kein Geld für ein Geschenk ausgeben sollen. Seine Frau und er freuten sich, mich wiederzusehen, und hofften, daß ich mich bei meinem Freund Henry wohl fühlen werde. Daraufhin sagte Mrs. White, das Essen sei schon verkocht, aber falls wir es nicht noch mehr ruinieren wollten, müßten wir uns jetzt hinsetzen und essen. Mutter, protestierte Henry,



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